1. MZ.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Kurze Weltkarriere: Kurze Weltkarriere: Bekannte Unbekannte: DDR-Eiskunstläuferin Anett Pötzsch wird 60

Kurze Weltkarriere Kurze Weltkarriere: Bekannte Unbekannte: DDR-Eiskunstläuferin Anett Pötzsch wird 60

Von Uta Büttner 02.09.2020, 08:19
Anett Pötzsch während ihrer Kür bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck im Jahr 1976.
Anett Pötzsch während ihrer Kür bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck im Jahr 1976. imago/Frinke

Mannheim/Chemnitz - Sie ist die erste deutsche Eiskunstlauf-Olympiasiegerin. 1980 ist Anett Pötzsch gerade einmal 19 Jahre alt, als sie in Lake Placid Gold gewinnt.

Im selben Jahr wird sie zum zweiten Mal Weltmeisterin, bei den Europameisterschaften holt sie bereits ihren vierten Titel. Doch auf dem Höhepunkt ihrer jungen Sportkarriere gibt sie überraschend ihren Rücktritt bekannt.

Anett Pötzsch arbeitet heute als Trainerin

„Im Nachhinein betrachtet, war es blöd. Aber ich war noch sehr jung“, sagt Anett Pötzsch, die am Donnerstag ihren 60. Geburtstag feiert. Ihre Entscheidung bereut sie bereits wenige Monate später. Heute arbeitet die gebürtige Karl-Marx-Städterin (heute Chemnitz) als Trainerin.

Zudem ist sie als Technische Spezialistin beim Eislauf-Weltverband ISU zuständig für die Beurteilung der Elemente einer Darbietung.

„Ich hatte alles geschafft“

Zum frühen Karriereende hatten mehrere Umstände geführt. „Ich hatte tatsächlich Knieprobleme, schon länger. Sogar eine OP stand im Raum, zu der es aber zum Glück nicht kommen musste“, sagt sie. Doch das war nicht ausschlaggebend. Auch nicht, dass Katarina Witt in die Trainingsgruppe kam. Sie war damals noch sehr jung, stand erst am Anfang ihrer Weltkarriere.

„Ich hatte alles geschafft. War acht Jahre in der Nationalmannschaft. Ich fühlte mich verschlissen“, erzählt Pötzsch. Hinzu sei der viele Schulausfall gekommen. Bis zum Abschluss der 10. Klasse brauchte sie drei Jahre länger. Zudem hängten im gleichen Jahr viele ihrer Kolleginnen die Schlittschuhe an den Nagel.

Pötzsch liebe das Eislaufen bis heute

Auch ihre langjährige Konkurrentin Linda Fratianne aus den USA, die sie mit ihrem Olympia-Gold in Lake Placid düpierte. Nicht nur sportlich, sondern auch mental eine Meisterleistung. „Wir hatten gelernt, links und rechts abzuschalten. Auch auszublenden, wenn die andere vielleicht mehr Applaus bekam. Und ich hatte ein ganzes Jahr lang gut trainiert“, sagt Pötzsch. Rund 200 Mal war sie ihre Kür zuvor gelaufen.

Nach ihrem Rücktritt machte sie sich Gedanken: „Wie geht“s beruflich weiter?“ Erfahrungen abseits des Eislaufens hatte sie nicht. Zunächst habe sie versucht, sich vom Sport ganz zu verabschieden, obwohl sie das Eislaufen bis heute liebt: „Es ist meine Leidenschaft.“ Klare Zukunftspläne hatte sie nicht. So absolvierte sie trotzdem das Diplom-Sportlehrer-Studium an der DHfK Leipzig, arbeitete anschließend dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin. „Aber das war nicht meins.“

Nach dem Eiskunstlaufen arbeitete Pötzsch in einer Bank

Nach der politischen Wende versuchte Pötzsch den Absprung vom Sport, schulte um und arbeitete bis 1996 in einer Bank. Ein wenig blieb sie der Eiskunstlauf-Szene aber erhalten, war als Kampfrichterin tätig. „Mich hat es immer zum Eis gezogen.“ So nutzte sie die Chance, in einer Show mitzulaufen.

Der „Fünf-Minuten-Auftritt“ 1998 im Film „Carmen“ mit Katarina Witt kostete Pötzsch ihr Amt bei der ISU. „Ich wurde als Profi eingestuft.“ Erst rund vier Jahre später, als viele Eiskunstläufer reamateurisiert wurden, gelang ihr es dann auch.

Pötzsch stand schon mit fünf Jahren auf dem Eis

Die ersten Schritte auf dem Eis machte Anett Pötzsch im Alter von fünf Jahren. Ihre Eltern hatten nach einem Sport für sie gesucht. Egal, welchen. Sie war ein sehr mobiles Kind. „Das Super-Talent war ich nicht“, schätzt Pötzsch sich selbst ein. „Aber ich war sehr fleißig und ehrgeizig.“

1971 nahm die zweimalige Weltmeisterin Gaby Seyfert, ihr großes Idol, sie unter ihre Fittiche. Zwei Jahre später, Pötzsch war 13, übernahm Jutta Müller das Training. Für die junge Sportlerin eine Auszeichnung. „Vor ihr hatten wir sehr viel Achtung. Wie wussten, sie bringt die Sportler bis an die Spitze. Mit ihr geht der Weg bis ganz nach oben.“

Pötzsch „hat das Eislaufen im Blut“

Pötzsch hatte den typischen Jutta-Müller-Stil wie auch Katarina Witt. Letztere sei allerdings „viel expressiver gewesen und mehr auf das Publikum zugegangen“, meint der Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union, Udo Dönsdorf. „Anett Pötzsch war mehr eine sportliche Läuferin, die damals sehr stark in der Pflicht war.“

Am Eiskunstlaufen fasziniert Pötzsch die Möglichkeit, Technik mit Künstlerischem zu verbinden. Das Laufen nach Musik, Emotionen ausdrücken. „Sie hat immer das internationale Level im Auge. Das ist von großem Vorteil. Sie hat das Eislaufen im Blut“, sagt Karin Knoll vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaft Leipzig und ergänzt: „Mit Anett Pötzsch gibt es ein sehr gutes, konsequentes, zielstrebiges Arbeiten.“ Als Trainerin sei sie hoch motiviert und ehrgeizig, „ihr Markenzeichen ist die Technik“, sagt Dönsdorf.

Pötzsch lebt heute in Mannheim

Heute arbeitet Pötzsch am Bundesstützpunkt in Mannheim, als Nachwuchs- und Techniktrainerin. Private Gründe führten sie 2017 von Dresden dorthin. Sie ist geschieden, hat zwei Töchter. Als Trainerin hat sie einen großen Traum: mit einem Athleten bei Olympia dabei sein.

Was dazu nötig ist, weiß sie sehr genau. Sie kann Sportlern Tipps geben, wie sie ihre persönlichen Möglichkeiten in Szene setzen können. So wie ihrer Trainerin es einst tat, als sie vor 40 Jahren als damals 19-Jährige bereits alles gewonnen hatte, was es zu gewinnen gibt. (dpa)