Talent sticht Erfahrung aus Wieso sich Tim Schreiber beim HFC vorerst gegen Sven Müller durchsetzen konnte
Tim Schreiber setzte sich im internen Torwartduell gegen Platzhirsch Sven Müller durch. Warum Florian Schnorrenbergs Wahl auf den 19-Jährigen fiel.

Halle (Saale)/MZ - Die wohl schönste Szene hatte es am Sonnabend schon vor dem Anpfiff gegeben. Tim Schreiber marschierte in Richtung des Tores vor der Fankurve, dorthin also, wo er den Arbeitstag gegen Meppen beginnen würde. Und hundertfach brandete dem Torwart des Halleschen FC aufmunternder Applaus entgegen. Schreiber klatschte mit seinen dicken weiß-gelben Handschuhen zurück. „Die Unterstützung der Fans war top. Sie hat uns dann auch während des Spiels nach vorne gebracht“, sagte er im Telefongespräch am freien Montag, den der neue HFC-Stammtorhüter in der Dresdner Heimat verbrachte.
Die Szene zu Beginn des 3:1-Sieges beim Drittliga-Saisonstart hatte symbolhaftes. Tim Schreiber war endgültig angekommen bei den Rot-Weißen und auch von jenen akzeptiert, die seinen Wechsel in der Winterpause vom ungeliebten Bundesliga-Nachbarn RB Leipzig noch giftig ablehnend kommentiert hatte.
HFC-Fans haben Tim schreiber trotz RB-Vergangenheit akzeptiert
Akzeptiert deshalb, weil alle inzwischen gemerkt haben: Dieser seit April 19-Jährige ist ein ganz famoser Torverhinderer mit großer Perspektive im deutschen Profifußball, vielleicht ein nächster Fabian Bredlow. Jener einstige HFC-Keeper ist inzwischen Bundesligaspieler in Stuttgart. Die zwei Spiele zum Ende der letzten Saison - 4:0 gegen Wiesbaden, 1:0 bei Bayern II - hatten gereicht, um Schreibers Potenzial zu zeigen: Beeindruckende Reflexe, gutes Stellungsspiel, souveräne Ausstrahlung. Und genau diese Eindrücke hatten sich auch bei Trainer Florian Schnorrenberg in den Erinnerungen eingebrannt. „Es war ein Bauchgefühl“, sagte der Trainer des Halleschen FC nach Abpfiff der Meppen-Partie warum er eben den Jungspund zwischen die Pfosten beordert hatte. Eine echte Überraschung. Schließlich hatte im Vorfeld Sven Müller (25) wie der Favorit im Duell um die Nummer eins bei HFC ausgesehen. Stamm-Torwart in der Vorsaison (25 Spiele), im Kasten bei der Generalprobe - immer ohne gravierende Fehler. Alles sprach für den Erfahrenen.
Und trotzdem: Schnorrenberg und der Rest des Trainerteams entschieden sich für Tim Schreiber. „Uns wurde die Entscheidung am Freitag nach dem Abschlusstraining im kleinen Kreis mitgeteilt. Ich war natürlich stolz und glücklich, der Konkurrenzkampf in der Vorbereitung hat viel Druck bedeutet“, erzählte Schreiber. Natürlich fiel die Wahl aber nicht allein wegen des Bauchgefühls des Chefs auf den RB-Leihspieler. „Wir hatten auch die zwei Spiele letzte Saison im Hinterkopf. Tim hat einfach auch eine Wahnsinns-Ausstrahlung“, so Schnorrenberg. Und im Anschluss an die Pro-Schreiber-Argumente erklärte der Cheftrainer auch den Torwart-Kampf für beendet. „Es wird keine Rotation geben“, sagte er. Er wusste zugleich, in welche Richtung er sich jetzt wenden sollte: hin zu Sven Müller. „Die Entscheidung ist hart für ihn.“
Für Sven Müller bleiben beim HFC vorerst nur die Pokalspiele
Der ehemalige Kölner Bundesliga-Spieler wird nun mit Pokaleinsätzen vorlieb nehmen müssen. Am 7. August etwa, wenn der HFC in Riestedt (14 Uhr) spielt, dann werde Müller den HFC-Kasten hüten, kündigte Schnorrenberg an. Trostpflaster. Und er schob nach, man werde sich auch „jetzt nicht für die Saison festlegen“. Sofern Tim Schreiber aber sein Niveau hält, kommt Müller nicht mehr an ihm vorbei. An der Freundschaft der beiden Rivalen, Zimmerkollegen im Trainingslager, solle die nun feststehende Rangfolge nichts ändern. „Sven hat Größe gezeigt, es kam nur Unterstützung“, betont Schreiber.
Gegen Meppen wurde die neue Nummer eins dann im dritten HFC-Einsatz erstmals bezwungen. Allerdings per Elfmeter und nicht aus dem Spiel heraus. Auch, weil Sören Reddemann mit einer Wahnsinns-Rettungstat vor der Torlinie das 2:3 der Gäste für den überlupften Schreiber verhinderte. Ansonsten hatte der HFC-Keeper einen relativ ruhigen Nachmittag. Am Sonntag im Spiel bei Geheimfavorit Türkgücü München dürfte es heißer zugehen - nicht nur weil die Sonne drücken könnte.