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Gehen  Gehen : Nairobi kann kommen! Fast...

Von Torsten Kühl 25.04.2017, 08:40
Die Freyburgerin Josephine Grandi (r.), die jetzt für den SC Potsdam startet, hat in Naumburg das 5-km-Rennen der WJU18 gewonnen.
Die Freyburgerin Josephine Grandi (r.), die jetzt für den SC Potsdam startet, hat in Naumburg das 5-km-Rennen der WJU18 gewonnen. Biel

Naumburg - Vier Sekunden! In dieser Zeit schafft man es kaum, einmal ein- und einmal auszuatmen. Vier Sekunden sind also nichts, erst recht in einer Ausdauersportart wie dem Gehen. Und doch entscheidet dieser Wimpernschlag manchmal über Freud und Leid. So auch im Falle von Josephine Grandi. Die Freyburgerin, die seit dem vergangenen Jahr für den SC Potsdam startet, unterbot beim Internationalen Naumburger Straßengehen am Sonntag zwar ihre persönliche Bestleistung über fünf Kilometer, aber mit der von ihr erzielten starken Zeit (24:19 Minuten) verfehlte sie die Norm für die U-18-Weltmeisterschaften im Juli in Nairobi (Kenia) um eben jene vier Sekunden.

„Das ist natürlich ein wenig bitter, so knapp die Norm zu verfehlen, aber auch kein Beinbruch. Dann schafft es Josi eben beim nächsten Mal. Schließlich ist es ohnehin unser Ziel, in absehbarer Zeit unter 24 Minuten zu bleiben“, munterte Manja Berger, die verantwortliche Bundes-Nachwuchstrainerin, das Talent aus dem Burgenlandkreis auf. „Schon am 7. Mai bei den Landesmeisterschaften von Brandenburg in Mahlow besteht dazu die Möglichkeit“, sagte Berger, die auch Grandis Heimtrainerin ist.

Nach ihrem Wechsel vom SV Halle an die Havel habe sich die Zehntklässlerin gut eingelebt. „Sie wohnt im Internat, hat viele neue Freunde gefunden, ist eine super Schülerin und jetzt auch sportlich wieder auf dem besten Weg“, so Manja Berger. „Nachdem Josi in ihrer frühen Jugend von Rekord zu Rekord geeilt war, dann in ein kleines Tal geraten war und vor allem mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, geht es nun wieder aufwärts.“ Leistungsfördernd sei auch die Tatsache, dass es in Potsdam eine starke Geher-Gruppe mit je fünf talentierten Mädchen und Jungen. „Da pusht man sich natürlich gegenseitig, hat aber auch immer jemanden zum Reden. Das ist ebenfalls sehr wichtig“, meint die Bundestrainerin.

Zwar habe es auch schon Beispiele gegeben, dass Sportler mit zum Saisonhöhepunkt genommen wurden, obwohl sie die Norm knapp verpasst hatten. „Aber darüber werden wir jetzt noch nicht nachdenken, weil wir davon ausgehen, dass Josephine das noch packen wird“, sagt Manja Berger. Die WM in Afrika könne für die jungen Athleten nicht so sehr wegen der Hitze ein Problem werden, sondern vielmehr wegen der Höhe. „Das können wir aber im Vorfeld daheim in Potsdam, wo wir die Möglichkeit haben, diese Bedingungen zu simulieren, oder mit einem Trainingslager in Oberhof kompensieren“, so die Bundestrainerin. Richtige Höhentrainingslager, die bei den erwachsenen Gehern traditionell zum Vorbereitungsprogramm gehören, seien im Nachwuchsbereich eher selten.

Schon die WM-Norm in der Tasche haben im Männerbereich gleich fünf deutsche Geher. Bundestrainer Ronald Weigel wird im Sommer zu den Leichtathletik-Weltmeisterschaften nach London also noch mehr Sportler schicken können als im vergangenen Jahr nach Rio de Janeiro zu den Olympischen Spielen. Diese eindrucksvolle Leistungsentwicklung hat für Weigel vor allem einen Grund, der Parallelen zur Arbeit von Manja Berger aufweist: Teamarbeit. „Es ist natürlich von Vorteil, wenn du mehrere starke Athleten zusammen trainieren kannst. Bei uns in Potsdam ist das der Fall. Auch wenn da unterschiedliche Charaktere aufeinandertreffen - die Kameradschaft ist groß“, sagt der Bundestrainer. Ein tolles Beispiel dafür lieferte am gestrigen Sonntag in Naumburg Christopher Linke. Der zurzeit beste 20-Kilometer-Geher Europas, der im Vorjahr in Rio Olympia-Fünfter geworden war, spielte bei den Deutschen Meisterschaften in der Domstadt Zugpferd für seinen Vereinskollegen Nils Brembach, und dieser unterbot tatsächlich die WM-Norm, die er zwei Wochen zuvor im tschechischen Podebrady noch verpasst hatte. In 1:20:43 Stunden wurde Brembach Zweiter der nationalen Titelkämpfe hinter Linke (1:20:26) und vor dem jungen Erfurter Karl Junghannß (1:22:08). Der 20-Jährige, der - wie Carl Dohmann aus Baden-Baden schon die WM-Norm der Männer über 50 Kilometer in der Tasche hatte - qualifizierte sich damit für die U-23-EM im polnischen Bydgoszcz.

Für den Potsdamer Hagen Pohle (1:22:29) blieb nur der undankbare vierte Platz. Pohle - wie Linke, Brembach und Dohmann Olympiateilnehmer 2016 - hat die WM-Norm für London auf der 20-Kilometer-Strecke aber auch schon unterboten (Tageblatt/MZ berichtete). „Nathaniel Seiler vom TV Bühlertal könnte dies über 50 Kilometer auch noch schaffen“, so Bundestrainer Weigel, der mit seinen Athleten auch neue Wege geht. Nur fünf Tage nach einem Höhen-Trainingslager in Flagstaff (USA) und trotz der Zeitumstellung hat er seine Athleten in Podebrady starten lassen. Eine ungewöhnliche Maßnahme, die aber den erhofften Erfolg gebracht hat.