1. MZ.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Fußball
  6. >
  7. „Mal sehen, wen ich alles beleidigt habe“: Gerd Kische eckte als DDR-Star oft an

Erfolge mit Hansa und Nationalmannschaft „Mal sehen, wen ich alles beleidigt habe“: Gerd Kische eckte als DDR-Star oft an

Gerd Kische feiert Geburtstag, er wird runde 70 Jahre alt. Wie einst als Superstar der DDR-Auswahl sagt er auch heute immer wieder seine Meinung und eckt an.

22.10.2021, 15:01
Gerd Kische, hier 1974 als DDR-Nationalspieler.
Gerd Kische, hier 1974 als DDR-Nationalspieler. (Foto: imago/Werek)

Rostock/dpa - Wenn Gerd Kische am Samstag seinen 70. Geburtstag feiert, fällt die große Sause aus. Die Hansa-Legende zieht sich zum Urlaub mit Jagdfreunden nach Österreich, Ungarn und Kroatien zurück und wird im kleinen Kreis auf sein Jubiläum anstoßen. „So viel wie früher vertragen wir nicht mehr. Ich will das bescheiden über die Bühne bekommen“, sagte Kische am Donnerstag zu seinem Ehrentag.

Ob als beinharter Abwehrmann in der DDR-Oberliga (182 Einsätze), als 63-facher Nationalspieler und Olympiasieger oder später als Präsident und Manager – Kische drückte mehr als ein halbes Jahrhundert dem FC Hansa Rostock seinen Stempel auf. Selbstbewusst, ehrgeizig, streitbar. „Ich bin kein Nostalgiker. Es war eine wunderschöne Zeit. Das war's. Ich bin rundum zufrieden und glücklich. Ob der ein' oder andere es auch mit mir war, weiß ich nicht“, sagt Kische ohne Wehmut.

Gerd Kische: Mit 19 Jahren debütierte er für Hansa Rostock

Schon mit 19 debütierte der gebürtige Teterower in der 1. Mannschaft und wusste sich im Ensemble der erfahrenen Hansa-Größen wie Herbert Pankau, Gerd Sackritz und Helmut Hergesell zu behaupten. „Gerd hatte fußballerische Qualitäten, die heute noch gefragt wären. Er war sehr schnell, körperlich robust und kaum auszuspielen. Wahrscheinlich war er einer der besten rechten Verteidiger seiner Zeit“, urteilt sein früherer Mitspieler Achim Streich.

Schnell gelang dem „Bullen“, wie Kische wegen seiner Statur genannt wurde, der Sprung ins Nationalteam. Mit der DDR-Auswahl holte er 1976 in Montreal den Olympiasieg – der größte Erfolg seiner Laufbahn. „Wir haben völlig verdient Gold geholt, waren vielleicht noch stärker als zwei Jahre zuvor bei der WM“, erinnert sich der Stammverteidiger, der auch beim legendären 1:0-Sieg der DDR gegen die Bundesrepublik bei der WM 1974 im Aufgebot stand.

Obwohl Hansa in den 1970er-Jahren dreimal in die zweitklassige DDR-Liga abstieg, hielt Kische seinem Heimatclub die Treue. Erst auf Druck des Fußballverbandes, der den unbequemen Spieler loswerden wollte, musste er 1981 den FC Hansa verlassen und ließ seine aktive Laufbahn bei zweitklassigen Vereinen in Rostock und Neubrandenburg ausklingen.

DDR-Fußballer Gerd Kische: Nach der Wende wurde er Hansa-Präsident

Nach der Wende startete Kische seine Funktionärskarriere. Als Präsident feierte er mit Hansa 1991 den letzten DDR-Meistertitel und die Qualifikation zur Bundesliga. Da er sich aber mit Uwe Reinders überwarf und den Trainer rauswarf, war er am Abstieg 1992 nicht unbeteiligt. „Irgendwann war mir klar: Wir haben sportlichen Erfolg – und einen Vollidioten als Präsidenten“, sagte Reinders dem „kicker“.

Gerd Kische 2018 im Stadion von Dynamo Dresden.
Gerd Kische 2018 im Stadion von Dynamo Dresden.
(Foto: imago/Robert Michael)

Auch als Manager eckte Kische unter seinem Präsidenten-Nachfolger Peter-Michael Diestel an und musste 1995 bei Hansa endgültig gehen. „Da gibt es ein paar positive Dinge, ein paar negative Dinge und auch ein paar Sachen, die man hätte besser sein lassen können“, resümierte Kische, der sich auch später immer wieder kritisch zu Hansa äußerte.

Heute tritt Kische nur selten öffentlich auf. Beruflich blickt der Bauunternehmer dem Ruhestand entgegen. „Mir geht es gesundheitlich gut. Ich bin ruhiger geworden. Wenn ich aber der Meinung bin, dass etwas ungerecht läuft, dann sprüht der Ätna noch mal richtig Feuer“, sagte er, der 2020 seine Karriere in einem Buch Revue passieren ließ.

Hansa-Idol Gerd Kische ist bald Bauunternehmer im Ruhestand

Auch wenn der einstige Verteidiger wegen der Corona-Pandemie länger nicht mehr im Ostseestadion war, verfolgt er mit „beiden Augen und Ohren“ die Spiele seines Herzensclubs. Der Ex-Funktionär stellt den Verantwortlichen nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga ein positives Zeugnis aus. „Der Trainer gibt sich die größte Mühe, auch Manager Pieckenhagen macht seine Sache besser, als ich gedacht hätte. Ich hoffe, dass Hansa dran- und drinbleibt und sich in der kommenden Saison neue Ziele stecken kann“, meinte das Urgestein.

Ob Kische seine Geburtstagsfeier in Rostock nachholt, lässt er offen. „Mal sehen, wen ich alles beleidigt habe, weil ich nicht da war. Ich bin froh, wenn ich den Dingen aus dem Weg gehen kann“, sagt der Jubilar - und lacht dabei.