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Kommentar zu Spaniens WM-Aus Kommentar zu Spaniens WM-Aus: Das Ende ist auch ein Anfang

Von Marco Schyns 19.06.2014, 09:03
2010 noch der gefeierte Finalheld: Andres Iniesta
2010 noch der gefeierte Finalheld: Andres Iniesta AFP Lizenz

Vergangene Weltmeisterschaften haben uns gelehrt, dass das Ausscheiden des amtierenden Weltmeisters in der Vorrunde nichts ungewöhnliches ist. Brasilien, Frankreich und zuletzt 2010 Italien - ihnen allen ist das schon passiert. Das soll aber nicht heißen, dass das frühe Aus der Spanier damit keine Sensation wäre. Es ist eine.

Spanien ist bereits nach zwei WM-Gruppenspielen in Brasilien ausgeschieden - mit null Punkten und einem Torverhältnis von 1:7. Das ist die eigentliche Sensation. Nämlich die Tatsache, dass dieses spanische Team, das zum größten Teil noch aus jenen Spielern bestand, die in den vergangenen Jahren die Fußballwelt nach Belieben dominierten, nicht einmal mehr annähernd den Anschluss halten kann. Es ist kein knappes Ausscheiden, sondern vielmehr ein Absturz.

Die Erfolgsgeschichte der Spanier begann nach der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland - parallel mit der europäischen Klub-Herrschaft des FC Barcelona. Die Nationalmannschaft bestand im Kern aus einem einzigartigen Barcelona-Block, angeführt von den Superstars Xavi und Iniesta. Hinzu kamen einige Real-Madrid-Stars sowie die Torjäger Fernando Torres und David Villa.

Während Barcelona 2006, 2009 und 2011 die Champions League gewann, holten die Spanier 2008, 2010 und 2012 die Titel bei den internationalen Turnieren. Obwohl sie schon 2008 auf dem Höhepunkt ihrer Möglichkeiten zu sein schienen, steigerten sich Xavi und Co. von Turnier zu Turnier. Den endgültigen Höhepunkt gab es dann im EM-Finale 2012, als Deutschland-Bezwinger Italien mit 4:0 abgefertigt wurde. Keiner hätte sich damals ein solches Scheitern bei der kommenden WM - nur zwei Jahre später in Brasilien - vorstellen können. Was also ist passiert?

Die Antwort liefert erneut der FC Barcelona. Der Spielstil, das Tiki-Taka - egal ob unter dem inzwischen verstorbenen Weltmeister-Trainer Luis Aragones oder unter dem jetzigen Coach Vicente del Bosque - war der des FC Barcelona, nicht mehr und nicht weniger.

Die Katalanen waren also hauptverantwortlich für den Erfolg der „Furia Roja", bekamen aber in den vergangene zwei Jahren auf Vereinsebene ihre Grenzen aufgezeigt. Ob der deutsche Rekordmeister FC Bayern München, das Abwehrbollwerk des FC Chelsea, die Königlichen von Real Madrid oder das aufmüpfige Atletico Madrid - sie alle stürzten den FC Barcelona. Erst fiel der Thron in Europa, dann der in Spanien.

Das Team, das sowohl gegen die Niederlande, als auch gegen Chile im Kollektiv versagte, bestand in großen Teilen immer noch aus jenem Barcelona-Block. Immerhin reagierte Vicente del Bosque nach der 1:5-Pleite im Auftaktspiel und nahm Xavi aus dem Team. Majestätsbeleidigung? Nein. Vielmehr ein Fingerzeig dafür, dass es Zeit ist, Platz zu machen. Platz zu machen für neue, junge, hungrige Spieler.

Niemand wird Superstars wie Xavi, Iniesta, Pique oder auch Torhüter Casillas ihre Fähigkeiten absprechen. Im Gegenteil: Die Leistungen dieser Spieler verdienen Anerkennung. Sie haben mit ihrem Spielstil nicht nur eine spanische Ära geprägt, sondern die des ganzen Fußballs. Häme oder Spott sind trotz des blamablen Ausscheidens unangebracht. Vielmehr sollten Xavi und Co. mit erhobenem Haupt auf die erfolgreichsten Jahre der spanischen Fußballgeschichte zurückblicken.

Die neuen Stars sind in Brasilien teilweise schon dabei, einige aber mussten auch zuhause bleiben. Das wird bei der Europameisterschaft in zwei Jahren in Frankreich anders sein. Wir werden eine neue spanische Mannschaft sehen - mit Spielern wie David de Gea, Javi Martinez, Daniel Carvajal, Thiago Alcantara, Koke, Asier Illaramendi, Juan Mata, Isco, Adrian Lopez, Iker Muniain, Alvaro Morata und vielen mehr.

Es werden vor allem jene Spieler dabei sein, die noch vor einem Jahr U21-Europameister in Israel wurden. Und es wird nicht mehr nur um Tiki-Taka gehen. Abstellen können die Spanier dieses Passspiel gar nicht - und das wäre auch nicht der Schlüssel zum Erfolg. Vielmehr gilt es, Alternativen zu entwickeln, frischen Wind reinzubringen und gegen tiefstehende Gegnern neue Ideen zu entwickeln.

Das Ende der glorreichen Ära um Xavi und Iniesta ist keinesfalls das Ende des spanischen Erfolgsfußballs. Die „Furia Roja" wird zurückkehren - so wie es andere Weltmeister, die ein Vorrunden-Aus verkraften mussten, auch getan haben. Fragen Sie mal in Frankreich oder Italien nach.