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Kolumne "Und sonst so?" Kolumne "Und sonst so?": Das rätselhafte Elfmeter-Versagen

Von Philip Sagioglou 24.02.2014, 11:07
Mesut Özil schießt - Manuel Neuer pariert.
Mesut Özil schießt - Manuel Neuer pariert. AFP Lizenz

Der norwegische Sportpsychologe Geir Jordet hat einmal gesagt: „Elfmeterschießen ist der extremste Fall von Leistungsdruck im Fußball, wenn nicht gar im ganzen Sport.“ Jordet ist ein Experte, er hat an der Hochschule für Sportwissenschaften in Oslo jahrelang auf dem Gebiet geforscht. Elfmeter sind eben eine Sache für sich, das lässt sich Woche für Woche in den Fußballstadien dieser Welt beobachten.

Am Samstag ist Denkwürdiges geschehen. Drei Spieler haben im Duell zwischen Nürnberg und Braunschweig einen Strafstoß verschossen. Das hat es zuvor in 50 Jahren Bundesliga-Geschichte niemals gegeben. Zunächst Domi Kumbela, der es FCN-Torwart Raphael Schäfer schwer machte, seinen unplatzierten Schuss nicht zu parieren. Dann Ermin Bicakcic, wieder mit dem bewährten Misserfolgsrezept: flach in die Mitte – und erneut kein Problem für Schäfer. Und schließlich Hiroshi Kiyotake, dessen Versuch Eintracht-Torwart Marjan Petkovic an den Pfosten lenkte.

Es heißt, zwischen Schuss und Tor (oder eben nicht) liegen etwa 400 Millisekunden. Und es gibt nicht wenige, die sich fragen, wieso die Sache mit den Elfmetern so häufig schiefgeht – es ist doch nur ein Schuss, und die Herren auf dem Rasen bekommen relativ viel Geld dafür, dass sie schießen können. Aber das ist eben nicht alles. Die möglichen Gründe für einen verschossenen Elfmeter können vielfältig sein. Eine Ursachenforschung.

Punkt eins: Nervliche Belastung. Schüsse wie der von Kumbela kommen in der Regel nicht zustande, weil der Schütze plötzlich die Basis-Fähigkeiten eines Fußballspielers verlernt und vergisst, wie man einen Ball drischt. Sondern eher, weil er unentschlossen ist. Sich möglicherweise durch die psychologische Kriegsführung der Torhüter aus der Ruhe bringen lässt. Oder unter großem Druck steht, weil jeder Fehlschuss ein Desaster verursachen kann – so etwa dürfte es bei Braunschweigs Spielern sein, die mit jeder verpassten Torchance dem Abstieg einen Schritt näher kommen.

Punkt zwei: Ungeschriebene Gesetze. Der Gefoulte darf nicht selbst schießen! Das Magazin „Bild der Wissenschaft“ will zwar herausgefunden haben, dass die gefoulten Spieler mit der gleichen Wahrscheinlichkeit treffen wie jeder andere, und es hält sich kaum noch jemand an diese altehrwürdige Regel. Aber sollte man einen Mythos wie diesen herausfordern?

Punkt drei: Spieler wechseln nach München. Wir erinnern uns an Lothar Matthäus im DFB-Pokalfinale der Saison 1983/84. Matthäus, der noch für Mönchengladbach spielt, aber wenige Wochen später zum FC Bayern wechseln wird, jagt seinen Versuch in den Himmel. Wir erinnern uns auch an Dante. Ähnliche Geschichte: Gladbach gegen Bayern, Dante wird kurz darauf nach München transferiert. Halbfinale des DFB-Pokals. Dante schießt drüber, Gladbach scheidet aus. Und wir erinnern uns an Robert Lewandowski. Der Pole hat im Mai vergangenen Jahres gegen die Bayern verschossen und sie damit vor einer Niederlage gegen Dortmund bewahrt. Sein Wechsel zum Rekordmeister galt schon damals als sicher.

Immer montags blickt unser Autor in der Kolumne "Und sonst so?" auf Ereignisse aus der Fußballwelt am vergangenen Wochenende zurück.

Punkt vier: Arroganz. Verantwortlich dafür ist Antonin Panenka.

Das Finale der Europameisterschaft 1976, die Nacht von Belgrad. Tschechoslowakei gegen Deutschland. Uli Hoeneß hat bereits verschossen, Panenka schreitet zum Punkt – und statt den Ball ins Netz zu zimmern, düpiert er DFB-Keeper Sepp Maier, indem er seinen Fuß unter den Ball schaufelt und ihn in Zeitlupengeschwindigkeit ins Tor lupft.

Es hat große Spieler gegeben, die sich an der Panenka-Variante versucht haben und damit Erfolg hatten; Zinedine Zidane etwa im WM-Finale 2006. Es hat aber auch peinliche Fehlschüsse gegeben. Neymar und Andrea Pirlo zum Beispiel sind mit ähnlichen Experimenten gescheitert – und natürlich Franck Ribéry, der im Januar 2009 im Achtelfinale des DFB-Pokal gegen Jens Lehmann versagt hat.

Und sonst so? Ach ja: Mesut Özil. Sein Fehlschuss im Champions-League-Spiel gegen die Bayern in der vergangenen Woche könnte das Resultat einer Kombination aus vielen der aufgezählten Faktoren gewesen sein. Vielleicht sah er sich unter Druck, weil er gegen viele seiner Kollegen aus der Nationalmannschaft spielte. Vielleicht lag es daran, dass Özil als gefoulter Spieler selbst geschossen hat. Vielleicht steckte Arroganz dahinter – das würde jedenfalls seine Körpersprache, seinen kurzen Anlauf und seinen laschen Schuss erklären.

Was mag der Grund des Scheiterns gewesen sein? Wir kommen nicht dahinter - Elfmeter sind eben eine Sache für sich. Oder... wechselt Mesut Özil etwa zum FC Bayern?

Nürnbergs Hiroshi Kiyotake schießt - doch Braunschweigs Keeper Marjan Petkovic wird parieren.
Nürnbergs Hiroshi Kiyotake schießt - doch Braunschweigs Keeper Marjan Petkovic wird parieren.
dpa Lizenz