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Fußball-Regionalliga Nordost manipuliert Fußball-Regionalliga Nordost manipuliert: Der Harz im Fokus der Wettmafia?

Von Ullrich Kroemer 15.02.2019, 09:13
Außenstelle der Wettmafia? Das Hotel „Alt Wernigeröder Hof“
Außenstelle der Wettmafia? Das Hotel „Alt Wernigeröder Hof“ Sonnemann

Wernigerode/Halberstadt - Das Hotel „Alt Wernigeröder Hof“ liegt am Rande des Zentrums des Fachwerkstädtchens Wernigerode. Innen wie außen 1990er-Jahre-Schick. Ein Hinweis auf eine chinesische Firma namens Star Movement, die laut Webseite hier in der Pfarrstraße 50a ihre deutsche Dependance haben soll, findet sich allerdings nirgends. Kein Firmenlogo, kein Briefkasten, kein Klingelschild.

Wann und ob Hotel-Juniorchef Nicki Richter, zugleich Vertreter von Star Movement, in dieser Woche erscheine, wissen die Angestellten an der Rezeption auch nicht. Anrufe beantwortet Star Movement ebenso wenig wie Mails oder Facebook-Anfragen.

Verfahren gegen Andreas Petersen

Die unauffindbare Agentur steht beim Manipulationsskandal in der Fußball-Regionalliga Nordost im Zentrum der Verdächtigungen. Der Vorwurf: Versuchte Einflussnahme auf Spiele in der Fußball-Regionalliga Nordost, Wettbetrug. Die Staatsanwaltschaft ist ebenso eingeschaltet wie das Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV).

Laut Bild-Zeitung soll die Agentur angeboten haben, Regionalliga-Spitzenreiter Chemnitzer FC neben der Anmietung einer Loge mit 60.000 Euro pro Spiel zu entlohnen, wenn der Verein an Manipulationen mitwirkt.

Richtig pikant wurde die Angelegenheit, weil Star Movement Sponsor und Kooperationspartner von Chemnitz’ Ligakonkurrenz Germania Halberstadt ist. Gegen Halberstadts Manager Andreas Petersen läuft aktuell ein Sportgerichtsverfahren, weil er versucht haben soll, Spieler des SV Babelsberg dazu zu bewegen, gegen ihren Ex-Klub „die Füße hochzunehmen“.

Star Movement: Welche Rolle spielt die chinesische Firma?

Petersen bestreitet das. Halberstadts Präsident Erik Hartmann sagt der MZ: „Andreas hat mir versichert, dass er das so nicht gesagt hat. Ich muss voraussetzen, dass er die Wahrheit sagt.“ Das Verfahren gegen den Verein hat der NOFV bereits eingestellt.

Welche Beziehungen hat die Germania aber zu Star Movement? Laut Hartmann wurde ein Zwei-Jahres-Vertrag für ein Sponsoring im niedrigen fünfstelligen Bereich pro Jahr vereinbart. Zudem soll Ende August ein von Star Movement organisiertes U-10-Turnier in Halberstadt stattfinden: mit Teams wie Bayern München, Borussia Dortmund und RB Leipzig.

Das Geschäftsmodell: „Uns wurde überzeugend dargestellt, dass Sponsoring und Turnierorganisation dadurch refinanziert würden, dass das Turnier durch eine Übertragungsagentur in China im Internet zu sehen ist“, sagt Hartmann. „Der Werbemarkt für Star Movement liegt in China.“

Germania Halberstadt glaubt an die Unschuld des chinesischen Partners

Was die Auftritte der Firma angeht, ist davon nichts zu sehen. 37 Follower bei Facebook, die Internetseite kommt aus dem Do-it-yourself-Baukasten. Dennoch sagt Hartmann: „Wir haben überhaupt keine Anhaltspunkte, an der Seriosität von Star Movement zu zweifeln.“

Wie die Vorwürfe gegen die Chinesen zustande kämen, kann sich der Präsident nicht erklären. Der Verein habe telefonisch Kontakt zu Nicki Richter gehabt. Der sei keineswegs abgetaucht, sondern auf einer Dienstreise im Ausland. „Er sagt, dass er die Vorwürfe entkräften kann“, sagt Hartmann. „Ich gehe davon aus, dass er sich einen Anwalt nimmt und dagegen vorgeht, wenn er zurück ist.“

Die Verbindungen zu Germania Halberstadt waren entstanden, weil die chinesische Agentur 2018 bereits ein Jugendturnier in Wernigerode ausgerichtet hatte, ebenfalls mit BVB, RBL und auch dem HFC. Hotel-Manager Richter, der Chinesisch spricht und in China gelebt und gearbeitet hat, war damals beim örtlichen Landesklasse-Klub Germania Wernigerode vorstellig geworden. Für das Turnier wurden eigens Tribünen aufgebaut, ein chinesisches Kamerateam war zu Gast.

Nils Petersen „distanziert sich völlig von dieser Company“

Bei dieser Gelegenheit entstand auch Kontakt zu Andreas Petersen, der zu Autogrammstunden vor Ort war. Der Vater von Nationalspieler Nils Petersen ließ seinen Sohn auch ein paar Worte in die Kamera sprechen. Das Video ist noch immer auf der Homepage von Star Movement präsent.

„Dieses Video war eine reine Gefälligkeit von Nils“, sagte Freiburgs Pressechef Klaus Bellstedt der MZ nach Rücksprache mit Petersen. Verträge gebe es keine. „Er distanziert sich völlig von dieser Company.“

Ob es sich bei der Provinzposse tatsächlich um Wettbetrug in großem Stil handelt, um Einzeltäter oder am Ende gar nichts dran ist, muss die Staatsanwaltschaft klären.

Sportradar: Keine Hinweise auf manipulierte Spiele

Fakt ist: Im konkreten Fall konnte die vom DFB beauftragte Agentur Sportradar keine Hinweise auf manipulierte Spiele finden. Doch Andreas Krannich von Sportradar warnt: „In vielen Fällen steckt hinter wettbezogener Manipulation organisierte Kriminalität.“

Innerhalb einer klaren Hierarchie platzieren Organisationen über Mittelsmänner Geld in möglichst vielen Wettbüros, Städten und Ländern. Getarnt als Sponsoren oder Vermarkter versuchen sie dann Vereine zu unterwandern, um Spiele zu manipulieren. Etwa 600 Fälle identifiziert Sportradar pro Jahr weltweit sportartenübergreifend. „Die Dunkelziffer ist sicherlich weitaus höher“, sagt Krannich.

Der Jurist Carsten Thiel von Herff ist Ombudsmann von DFB und DFL und kann von betroffenen Spielern, Trainern oder Funktionären kontaktiert werden. Seit 2011 „gab es jedoch keinen Fall von nachgewiesener durchgeführter Spielmanipulation, was nicht ausschließt, dass es in unteren Ligen Versuche gab“, sagt Thiel von Herff.

„Wettbetrüger nutzen die Schwächen von Spielern oder Schiedsrichter“

Zur Prävention schult der Rechtsanwalt im Auftrag des DFB Vereine: „Wettbetrüger nutzen in der Regel die Schwächen von Spielern oder Schiedsrichtern aus, zum Beispiel Spielsucht oder Spielschulden. Aber auch Drohung und Erpressung spielen eine Rolle.“

Ob finanzielle Schwierigkeiten auch im jetzigen Fall zutreffen, ist bisher aber nicht bekannt. Die Firma BVV Tourismusgesellschaft mbh, der Star-Movement-Vertreter Nicki Richter als Geschäftsführer vorsteht, schloss ihre Jahresbilanz 2016 laut Bundesanzeiger zwar mit einem Jahresüberschuss von knapp 70 000 Euro ab; die Verbindlichkeiten betrugen aber über eine halbe Million Euro. (mz)