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Comeback-Plan bei RB Leipzig Comeback-Plan bei RB Leipzig: RB-Stürmer Terrence Boyd: "Ich war mental in einem Loch"

Von Ullrich Kroemer 22.09.2015, 08:30
„Wenn die Bänder noch einmal reißen, dann ist Feierabend”: RB Leipzigs Stürmer Terrence Boyd.
„Wenn die Bänder noch einmal reißen, dann ist Feierabend”: RB Leipzigs Stürmer Terrence Boyd. dpa Lizenz

Leipzig - Treffpunkt Universitätsstraße in Leipzig: Terrence Boyd hat sich für das Interview mit der MZ sein Lieblingscafé ausgesucht. Durchaus unüblich, denn andere Profi-Kicker wollen öffentlich möglichst wenig über ihr Privatleben preisgeben. Boyd dagegen – lässiges schwarzes Outfit, coole Sneaker mit Korkbeschichtung – schmeißt eine Runde Kaffee und berichtet locker und offen über die bislang schwierigste Phase seiner Karriere.

Terrence, womit sollen wir anfangen: mit Ihrem langen Weg zum Comeback oder dem Status als Social-Media-König der Liga mit 195.000 Twitter-Followern?

Terrence Boyd: Beim Thema Twitter muss ich gleich sagen: Das ist keine reale Zahl. Tatsächlich hat wohl Atinc Nukan mit über 60.000 die meisten Follower bei uns im Team. Bei mir waren es zwar zeitweise über 220.000, aber das kam so: Als ich im erweiterten Aufgebot der USA zur Weltmeisterschaft 2014 stand, wurden alle Twitter-User gefragt, für welches Land sie bei der WM seien. Diejenigen, die USA angeklickt haben, wurden zu den Profilen aller Nationalspieler weitergeleitet. Ich bin dann jeden Morgen aufgewacht und hatte plötzlich 30.000 Follower mehr. Doch da sind auch jede Menge Fake-Profile dabei. Das war bei jedem US-Nationalspieler so. Jetzt geht die Zahl langsam wieder zurück.

Sie legen also keinen besonderen Wert auf Ihre Social-Media-Kanäle?

Boyd: Naja, ich bin schon Handy süchtig, das stimmt. Aber mein Leben dreht sich nicht nur um Follower oder ähnliches. Ich poste einfach viele Inhalte, die ich witzig finde. Natürlich keine Partybilder oder so.

Gibt es da Beschränkungen von RB Leipzig?

Boyd: Jeder weiß von selbst, welche Bilder in die Öffentlichkeit gehören und welche nicht. Natürlich muss man aufpassen, dass man keine anderen Personen oder Vereine beleidigt. Das sind aber normale Verhaltensregeln. Bei heiklen Posts halte ich schon mal Rücksprache mit unserer Medienabteilung, bevor ich etwas abschicke. Aber eigentlich haben wir da viel Freiheit.

Geben Sie als Social-Media-Experte im Team Ihren Mitspielern Tipps?

Boyd: So viele in der Mannschaft sind gar nicht bei Twitter. Georg Teigl und Anthony Jung sind jetzt auch dabei. Die verlinke ich manchmal in witzigen Posts.

Sie zeigen eine gehörige Portion Selbstironie bei Twitter. Zu einem Filmchen, in dem den Ball haushoch über das Tor schießen, schreiben Sie: „Kann mir bitte einer sagen warum ich nicht im Kader bin?”

Boyd: Ja, man sollte das alles nicht zu ernst nehmen. Das einzige, wo ich wirklich ernst bin, ist auf dem Platz. Da bin ich ein anderer Mensch. Aber im Alltag bin ich der größte Spaßvogel.

Wie schwer ist es Ihnen denn gefallen, diese Coolness und Lockerheit in den Monaten Ihrer Verletzungen beizubehalten?

Boyd: Ich muss wirklich sagen ... (Boyd überlegt), das war echt eine harte Zeit. Zwischenzeitlich war ich mental wirklich in einem Loch. Gerade als die Saison anfing und ich immer noch verletzt war. Jedes Heimspiel, das ich mir anschaue, tut echt weh, weil du nicht da unten auf dem Rasen stehst. Das ist echt eklig. Das nimmt mir etwas von meinem Leben.

Inwiefern?

Boyd: Man sitzt dann zuhause rum, ist nicht richtig ausgelastet. Ich durfte acht Monate lang nicht einmal richtig laufen gehen, höchstens Fahrrad fahren. Aber jetzt habe ich den schlimmsten Part hinter mir. Ich befinde mich aktuell in der letzten Stufe meiner Reha, muss Fitness aufbauen, aber kann mein Knie endlich wieder belasten. Die einzigen Gegner, die ich derzeit habe, sind unsere Athletik- und Fitnesstrainer. Die passen natürlich auf, dass ich nicht zu früh Vollgas gebe. Denn wenn die Bänder noch einmal reißen, dann ist vermutlich Feierabend.

"Ich bin kein Techniker"

Mussten Sie befürchten, mit Profifußball aufhören zu müssen?

Boyd: Nein, nein, aber es war nicht ohne. Während der Kreuzband-Operation hat mein Arzt Dr. Boenisch gesehen, dass der Meniskus auch angerissen ist und musste ein Drittel rausnehmen. Gerade bei mir ist das besonders sensibel, da ich so ein massiger Spieler bin. Ich bin kein Techniker, sondern ich haue mich einfach in jeden Zweikampf rein, nehm’ alles mit. Da muss das Knie stabil sein.

Sind Sie nach dem Kreuzbandanriss im vergangenen Sommer zu früh wieder eingestiegen?  

Boyd: Nein, ich würde es wieder so machen, weil ich Vertrauen hatte. Das Knie hat gut gehalten. Ein Gegenspieler hat mir gegen das Knie getreten, ist aber selbst hingefallen und hat Foul gefordert. Da habe ich mir gedacht: Okay, jetzt hält es. Aber dann in dem Spiel gegen Ingolstadt (07.12.2014, Anm.d.Red.) war der Rasen matschig und nass, ich habe wie alle anderen längere Stollen getragen, und dann bin ich halt hängen geblieben.

Danach machte Ihnen noch eine Zyste zu schaffen und Sie mussten erneut operiert werden.

Boyd: Das ist nach der Kreuzband- und Meniskusoperation eingetreten, und ich musste erneut operiert werden. Danach musste ich noch einmal von vorn beginnen. Bis heute läuft da immer noch Flüssigkeit nach, die ablaufen muss. Das ist nicht gut, aber damit kann man spielen. Da machen unsere Physios einen großartigen Job.

Sie sind ein Teamtyp. Wie haben Sie den Alltag als Einzelkämpfer in der Reha weggesteckt?

Boyd: Hart ist, während der Reha nicht bei der Mannschaft sein zu können, als ich in Donaustauf oder hier in der Medica-Klinik trainiert habe. Da trainieren überwiegend ältere Menschen, um ihren Alltag überstehen zu können. Alle machen einen super Job, aber da hat man keine Reize. Da wird man verrückt. Es tut gut, wieder bei der Mannschaft sein zu können, in der Kabine zu sitzen und einfach auch mal wieder Unsinn zu reden.

Haben Sie sich während der Reha in Donaustauf mit anderen Profis austauschen können?

Boyd: Senad Lulic von Lazio Rom war da. Erst hielt ich den in seinen 80er-Jahre-Trainingsklamotten für einen Hobbysportler. Als er mir seinen Verein nannte, sagte ich nur: Ah, okay (lacht). Sonst habe ich zum Beispiel Julian Draxler getroffen. Das ist natürlich interessant, solchen Spielern zu begegnen, die auch gerade leiden. Da haben wir uns ein wenig ausgetauscht.

In Teil zwei des Interviews lesen Sie am morgigen Mittwoch, was US-Nationalspieler Terrence Boyd über Telefonate mit Jürgen Klinsmann und sein Verhältnis zu Jürgen Klopp berichtet und was aus seiner Sicht am RB-Spiel derzeit noch fehlt.