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Wer wusste was beim CFC? Chemnitzer FC: Chat-Protokoll widerspricht Erpressungs-Theorie

14.03.2019, 14:43
Insolvenzverwalter Klaus Siemon sieht eine klare Nötigung des Chemnitzer FC.
Insolvenzverwalter Klaus Siemon sieht eine klare Nötigung des Chemnitzer FC. imago sportfotodienst

Chemnitz - Der Regionalligist Chemnitzer FC kommt bei der Aufarbeitung des Neonazi-Skandals nicht zur Ruhe. Wie konnte es zur umstrittenen Trauerveranstaltung für Thomas Haller im Stadion kommen? Für CFC-Insolvenzverwalter Klaus Siemon ist die Sache klar, es habe eine Erpressung und Bedrohung des verantwortlichen Spieltagleiters gegeben. Wer die Drohungen ausgesprochen hat, sagt Siemon nicht. Ein nun enthülltes Chat-Protokoll zeichnet ein ganz anderes Bild von den Abläufen vor der Trauerfeier im Stadion.

Siemon betonte auf einer Pressekonferenz am Donnerstag noch einmal seine Position: „Der Veranstaltungsleiter ist erpresst worden.“ Eine entsprechende Strafanzeige hat der Insolvenzverwalter bereits erstattet. Namen von Einzelpersonen oder Gruppen, die hinter der Erpressungen stehen sollen, nannte er aber nicht: „Die habe ich den Ermittlungsbehörden mitgeteilt. Es gibt ganz konkrete Anhaltspunkte.“ Siemon sprach von einer „Organisiertheit der Aktion“ im Stadion: „Ich sehe hier ein klares Nötigungsszenario“.

„Alleinschuldiger“ Spieltagsleiter darf beim CFC weiterarbeiten

Nach den Trauerbekundungen für den Neonazi war beim CFC unter anderem Spieltagsleiter Thomas Uhlig von seinem Amt zurückgetreten. Er sei der Alleinverantwortliche für diese Entscheidung gewesen, auch wenn dessen Willensbildung beeinflusst wurde. Wie Siemon am Donnerstag aber bestätigte, bleibt Thomas Uhlig dem Verein in anderer Funktion erhalten. Er soll sich um Bereiche wie Buchhaltung und Abläufe in der Geschäftsstelle kümmern.

Das Portal „Tag 24“ zitiert am Donnerstag aus einem von Uhlig gegründeten WhatsApp-Chat zwischen mehreren Beteiligten des Chemnitzer FC. Von Erpressung und Nötigung durch Einzelpersonen oder Gruppen, wie sie Klaus Siemon nachdrücklich behauptet, ist dabei keine Rede.

WhatsApp-Chat enthüllt: CFC-Mitarbeiter hatte kaum Bedenken

So sollen sich die Beteiligten, darunter der Spieltagsleiter, die Fanbeauftragte Peggy Schellenberger sowie der Leiter des Ordnungsdienstes, weitgehend einvernehmlich auf die Durchführung der Trauermaßnahmen geeinigt haben. „Wir müssen gut abgestimmt auf Medien-Anfragen reagieren... Aber Thommy hat das jetzt mehr als verdient!!!“, soll Schellenberger geschrieben haben.

Lediglich vom Vereinssprecher habe es Bedenken gegeben, die aber letztlich keine Berücksichtigung fanden. Uhlig bewertete die Maßnahme mit Blick auf die öffentliche Wahrnehmung demnach als „Ritt auf der Rasierklinge“, sprach sich aber am Ende nicht gegen die Aktion aus. Allen Beteiligten war dabei bekannt, dass Haller die Vereinigung „Hoonara (Hooligans-Nazis-Rassisten) gegründet hatte.

Die Ausführung von Tag24 stützt ein Facebook-Post von Mario Lengtat, der bis 2018 im Ehrenrat des Vereins saß. Der Rechtsanwalt, der offenbar einen Mandanten in dem Fall vertritt, schreibt, er habe ebenfalls Einblick in den Chatverlauf erhalten. Zugleich bestätigte er die Echtheit der Tag24-Informationen.

Auf Pressekonferenz: Klaus Siemon wehrt sich gegen Berichterstattung

„Nach meinem Eindruck wussten die Chat-Teilnehmer um die Brisanz des Themas und erörterten in sachlicher unaufgeregter Runde verschiedene Möglichkeiten“, schreibt Lengtat. Es seien – anders als von Siemon behauptet – „keinerlei Anzeichen für eine tatsächliche oder gar akute Bedrohungslage zu erkennen.“

Lengtat kommt zum Ergebnis: „Vielmehr wurde das Ansinnen von wesentlichen Teilnehmern aufgrund angenommener Verdienste des Verstorbenen weitgehend wohlwollend betrachte.“ Das Chatprotokoll wurde auch an die Ermittlungsbehörden übergeben.

Chemnitzer FC hofft auf Hilfe von Politik und Sponsoren

Angesprochen auf den WhatsApp-Chat sagte Siemon, der während der Pressekonferenz immer wieder Journalisten für „falsche Fragen“ oder „tendenziöse Berichterstattung“ kritisierte, lediglich: „Das spielt keine Rolle.“

Zugleich hofft der Chemnitzer FC in der aktuellen Situation auf Hilfe. „Wir fühlen uns im Stich gelassen. Alle erzählen uns, was wir tun sollen. Aber allein können wir das nicht schaffen“, sagte Sportvorstand Thomas Sobotzik. „Wir brauchen Hilfe der Politik, der Sponsoren und der Fans.“

Keinen neuen Stand gibt es für Daniel Frahn: Der CFC-Stürmer ist für seinen umstrittenen Torjubel vorläufig gesperrt worden, ein Entscheidung über das Strafmaß vom Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) gibt es noch nicht. (mz/bbi/mit sid und dpa)