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Eduard Geyer wird 70 Eduard Geyer wird 70: "Cottbus kannte ja keiner"

06.10.2014, 09:17
Eduard Geyer war viele Jahre lang Trainer von Energie Cottbus.
Eduard Geyer war viele Jahre lang Trainer von Energie Cottbus. Archiv/dpa Lizenz

Berlin - Eduard Geyer wird am Dienstag 70 Jahre alt. Fußball spielt für den Jubilar noch immer eine große Rolle, wenn auch nicht mehr in offizieller Funktion. Den Fußball im Osten sieht er von der Spitze „so weit weg wie den Mond von der Erde“.
Wie geht es „Ede“ Geyer an seinem 70. Ehrentag?

Geyer: Ja, Ehrentag kann man wirklich sagen. Mir geht es gut. Ich habe gerade wieder in der Altliga Fußball gespielt und mit meiner Mannschaft gewonnen. Da geht es mir gut.

Also als Rentner noch oft am Ball?

Geyer: Einmal in der Woche eine Stunde, dann trinken wir Bier zusammen und diskutieren über Champions League, Dynamo Dresden und die regionalen Ligen.

Nationalcoach der DDR, Bundesliga-Trainer in Cottbus - wie groß ist der Abstand zum Fußballgeschäft inzwischen?

Geyer: Ich bin kein Trainer mehr, da ist der Abstand natürlich größer. Ich verfolge alles im Fußball, natürlich auch Energie Cottbus. Ab und zu fahre ich auch nach Cottbus und schaue mir ein Spiel an.

Was sagt „Ede Gnadenlos“ zur heutigen Unterhaltungsbranche Profifußball?

Geyer: Alles wird immer gläserner. Die Medien beschäftigen sich noch intensiver mit Fußball. Das Spiel wird mit Statistiken zerlegt. Die Spieler geben über Twitter ihre Weisheiten wieder, was nicht immer sehr förderlich ist. Wenn ich dann lese, dass ein Spieler twittert 'Ich spiele nicht' und damit auch schon die Aufstellung verrät - das ist unmöglich. Viele Fußballer heute nehmen ihren Beruf aber auch ernster. Wenn sie ein paar Jahre spielen vor allem in der Bundesliga und 2. Liga, können sie sich eine Existenz aufbauen.

Der in Oberschlesien geborene Eduard Geyer war als Spieler mit Dynamo Dresden zweimal Meister und einmal Pokalsieger der DDR. Als letzter Nationaltrainer erlebt er auch das letzte Länderspiel von Matthias Sammer und Co. Später führte er Energie Cottbus in die Bundesliga. Geyer lebt in Dresden.

Sie werden von vielen Menschen verbunden mit historischen Ereignissen in Deutschland, diesem WM-Qualifikationsspiel der DDR in Wien kurz nach Maueröffnung, dem letzen Länderspiel in Belgien, dem Aufstieg von Cottbus. Sehen sie sich als historische Figur?
Geyer: Ich war auch der Erste, der mit elf Ausländer gespielt hat damals in Cottbus. Aber über all das habe ich mir keine großen Gedanken gemacht. Es ist klar, wenn so ein großer epochaler Umschwung kommt, dann geht es neu los. Wien war ja für mich als Trainer nicht so ein schöner Moment. Wir haben 0:3 verloren, ich wollte schon zur WM fahren. Aber da spielten höhere Mächte eine große Rolle.

Die Karriere blieb also unvollendet?

Geyer: Im Nachhinein hat der Fußball mir sehr viel gegeben, nicht so sehr finanziell. Ich habe viel erlebt, viele Menschen kennengelernt. Man hat immer mit jungen Leuten gearbeitet, das hält einen selbst frisch und jung. Und jetzt wünsche ich, das meine Familie und ich gesundbleiben. Ich hoffe, dass wir das die nächsten 30 Jahre gut über die Runden kriegen.

Sie haben zwei Söhne und drei Enkel. Alles Fußballer?

Geyer: Mein kleiner Sohn hat lange gespielt, musste wegen einer Verletzung aufhören. Mein Enkel Fabian spielt in einem kleinen Verein hier in Dresden. Ich hoffe, der ganz Kleine, drei Jahre alt, bald auch. Wir fahren nächste Woche mit ihm ins Trainingslager. Er wird gerade getestet. Wir sind eine reine Jungs-Familie, außer der Mutter, die ist eine Frau.

Fußball ist also weiter Thema Nummer eins bei Geyers?

Geyer: Es ist nicht mehr so, dass wir Tag und Nacht über Fußball reden. Aber alle haben eine Affinität zum Fußball, die Frauen genau wie die Männer. Wobei die Frauen den Fußball ein bischen anders verstehen.
Sie sind auch mit den dunklen Seiten der DDR in Verbindung gekommen, wie sehen Sie das heute?

Geyer: Ich hatte eine glückliche Kindheit, auch wenn wir nicht so begütert waren. Ich konnte Fußball spielen, Ski fahren, Schlittschuh laufen, Rad fahren. Wie es gekommen ist, ist es in Ordnung. Auch nach der Wende bin ich gut zurechtgekommen. Natürlich hatte ich mir auch vorgestellt, mal einen Bundesliga-Verein zu trainieren, der wie einst Dynamo Dresden international spielt. Aber im Nachhinein kann ich mit meiner ganzen Vita zufrieden sein.

Sie haben sich auch in der Bundesliga einen Namen gemacht. Warum ist Ihnen das als einem der wenigen DDR-Trainer gelungen?

Geyer: In erster Linie durch kleine Erfolge, dass wir in die Bundesliga aufgestiegen sind mit einem Club wie Cottbus. Cottbus kannte ja keiner, die Stadt ist in Deutschland bekanntgeworden durch den Fußball. Da können sie heute noch stolz sein. Was die Leute akzeptiert haben, waren ehrliche Arbeit, ehrliche Aussagen, dass man nicht rumeiert und alles entschuldigt. Man hat auch unbeabsichtigt mal einen Spruch gemacht, den man sich vorher nicht überlegt hatte.

Welche Erinnerungen sind besonders geblieben?

Geyer: Ich habe mir vor kurzem noch mal unseren 3:0-Sieg mit Energie im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Karlsruhe 1997 auf Video angeguckt. Das erste Mal übrigens. Wie wir da auf dem Platz gearbeitet und gekämpft haben - war schon bewundernswert.

Könnte es so eine Geschichte wie mit dem FC Energie, der immerhin sechs Jahre in der Bundesliga gespielt hat, heute überhaupt noch geben?

Geyer:Das könnte es schon, wenn die richtigen klugen Leute zusammen sind. Man braucht ein bisschen Geduld - und Geld, nicht mal einen Abramowitsch.

Und wie steht es um die Traditionsvereine im Osten?
Geyer: Wenn sechs der einst besten Mannschaften in der 3. Liga sind, braucht man nicht rumzueiern, wo der Osten im Fußball steht. Das Geld spielt eine immer größere Rolle. Wozu einige Vereine in der Lage sind, sich Mannschaften zu kaufen, da sind wir hier so weit weg wie der Mond von der Erde.
(dpa)