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Dominic Bösel privat Dominic Bösel privat: So tickt Freyburgs neuer Box-Weltmeister

Von Petra Szag 23.11.2019, 10:03
Dominic Bösel liebt Spaziergänge mit Luisa und Hugo auf dem  Schweigenberg, der einen herrlichen Ausblick auf seine Heimatstadt Freyburg gestattet.
Dominic Bösel liebt Spaziergänge mit Luisa und Hugo auf dem  Schweigenberg, der einen herrlichen Ausblick auf seine Heimatstadt Freyburg gestattet. Holger John / VIADATA Photo

Freyburg (Unstrut) - Das Veilchen verrät: Der Mann hatte gerade ein schmerzhaftes Erlebnis. Über dem rechten Auge von Dominic Bösel schimmert das Lid im zarten Lila und ist ein klares Indiz für seinen Beruf: Profiboxer! Wie ein Haudrauf wirkt er trotzdem nicht - selbst mit der windschiefen Nase.

Mit einem unaufgeregten Lächeln empfängt der Freyburger die MZ in den eigenen vier Wänden. Nur wenige Tage nach seiner großen Stunde, in der er sich zum doppelten Weltmeister durchgeboxt hat. Sein Blick verrät Neugier auf das, was jetzt kommt. Einer wie du und ich, so kommt er rüber. Das Hochgefühl, das Bösel seit Samstagnacht beherrscht, lässt ihn offenbar nicht abheben.

Dominic Bösel liebt Freundin Luisa und Hund Hugo

Als er wenig später im Wohnzimmer seiner selbst ausgebauten Dachgeschosswohnung am Tisch sitzt, neben sich Freundin Luisa und zu seinen Füßen der Hund Hugo, kommt das Gespräch erst einmal auf seinen WM-Kampf. Der spektakuläre K.o. in Halle gegen Sven Fornling war beste Eigenwerbung.

Und doch sagt Bösel auch: „Ich bin froh, dass Fornling nichts Schlimmeres passiert ist.“ Immerhin musste der Schwede hinterher auf der Intensivstation beobachtet werden. Es wäre für Bösel kaum zu ertragen gewesen, hätte sein Gegner bleibende Schäden davongetragen. Solche Gedanken zeichnen einen wahren Sportsmann aus.

Auch ihm steckt der Kampf noch in den Gliedern. „Ich spüre den Muskelkater“, meint der 30-Jährige. Vor allem im linken Arm. Und sein Nacken ist fest. „Luisa darf mich deshalb nicht so dolle drücken.“

Dominic Bösel traf seine Luisa auf einer Dorfdisko

Die Erzieherin ist seit einigen Wochen die Frau an seiner Seite. Auf einer Dorfdisko hatte die Weißenfelserin ihren 24. Geburtstag gefeiert, und der Sportler war zufällig da, gratulierte spontan. Seitdem will er sie nicht mehr missen. „Wir lachen viel zusammen“, sagt Luisa auf die Frage, was ihr an ihm besonders gefällt. An seine Spontanität hingegen muss sie sich erst gewöhnen. „Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann muss ich nicht lange überlegen“, gibt Bösel zu.

Wie tickt der Boxer, den wohl nicht nur Fornling unterschätzt hatte und der nun mit einem Schlag über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde? Seine Verbundenheit mit der Heimat ist offensichtlich. „Manchmal“, sagt er, „setze ich mich ins Auto und fahre hier einfach so durch die Straßen. Oder die Weinberge entlang.“

Vor gut einem Jahr kehrte Bösel wieder dahin zurück, wo er aufgewachsen ist, bis er mit Zwölf an das Sportgymnasium nach Halle und damit ins Internat gewechselt war. 2013 folgte der Umzug nach Magdeburg ganz in die Nähe seiner Trainingshalle bei den SES-Profis. Angekommen ist er in der Landeshauptstadt aber nie.

In Magdeburg wurde Dominic Bösel nie glücklich

„Es ist um so vieles besser, im eigenen Bett zu schlafen“, sagt Bösel. Nur einen Sprung entfernt von seinem Elternhaus und den Freunden gleich um die Ecke. Das hat ihm geholfen, die Kraft gegeben und jene Souveränität, mit der er nun so erfolgreich war. Auch die eigene Küche ist ihm wichtig. Wenn man bei 1,86 Meter Körperlänge nicht mehr als 79,378 Kilogramm auf die Waage bringen darf, braucht es Sorgfalt bei der Ernährung und möglichst wenig Restaurantessen.

„Ich will es nicht wieder so entgleiten lassen. Zuletzt ist es mir schwergefallen, das Gewicht zu bringen“, erzählt der Nudelfan. Auch wenn es ihm da nicht um das Sixpack geht - eitel ist er trotzdem, wie seine Freundin verrät. Weil es Bösel vor dem Pressetraining nicht zum Friseur geschafft hatte, ging er nur mit Mütze vor die Kameras. Und privat fällt der Sportler meist gut gekleidet auf, könnte glatt als Dressman durchgehen.

Sein Hund passt da hervorragend ins Bild. Das Fell seiner französischen Bulldogge glänzt edel, ihr Halsband ist mit funkelnden Steinen verziert. Das Klischee, dass Boxer Kampfhunde haben, bedient Bösel nicht. Und es spricht auch für ihn, dass der Tierfreund den Welpen umbenannt hatte, als er den vor drei Jahren vom Züchter bekam. Aus Tyson wurde Hugo. Die Anspielung auf den großen Ex-Champion Mike Tyson erschien ihm unakzeptabel.

Familienmensch Dominic Bösel kam über Vater Bernd zum Boxen

Als Amateurboxer wurde Dominic Bösel zweimal deutscher Meister. 2013 wechselte der gelernte Industriekaufmann zu den Profis und schloss sich dem Magdeburger SES-Boxstall an. Sein Trainer Dirk Dzemski weiß, was Bösels Stärke ausmacht. „Er erkennt anhand der Mimik und Gestik, was sein Gegner vorhat und kann blitzschnell reagieren.“ Auch sein Promoter sieht darin ein großes Plus. „Dominic ist einer der intelligentesten Boxer, die ich kenne“, findet Ulf Steinforth. Bösel hat 30 seiner 31 Profi-Kämpfe gewonnen. Lange musste der frühere Juniorenweltmeister auf seine Titelchance warten. Vor einer Woche gewann er in Halle das Duell mit dem Schweden Sven Fornling durch K.o. in der elften Runde und ist nun im Halbschwergewicht Weltmeister des Verbandes IBO und Interimschampion der WBA.

Hugo, das merkt man sofort, ist ihm wichtig. Er gehört zur Familie. Und ein Familienmensch ist Bösel sowieso. Als ihn kurz nach seinem Triumph die Gefühle übermannten und er sich mit Tränen in den Augen übers Mikrofon bei seinen Eltern bedankte, da kam das von ganz tief drinnen.

„Ich sage so etwas sonst nicht“, erklärt Bösel, „aber das musste diesmal sein.“ Mutter Simone, der er schon als Steppke seinen ersten von insgesamt vier Nasenbrüchen zugemutet hatte. Und Vater Bernd. Der vererbte ihm seine Leidenschaft für den Faustkampf.

Er hat seinen Filius auch lange im Heimatverein in Freyburg betreut, in dem er heute noch Coach und Präsident ist. „Der Vater als Trainer, für ein Kind ist so etwas natürlich nicht einfach“, sagt Bösel. Heute weiß er seine Hinweise zu schätzen. Manchmal ist der Vater auch jetzt beim Training dabei als Beobachter. Er ist nach wie vor eine wichtige Bezugsperson.

Trainer Dirk Dzemski ist eine wichtige Bezugsperson für Bösel

So wie sein Trainer. Bösel kennt Dirk Dzemski schon ein halbes Leben. Auf seine kleinen Schwächen, erzählt der Sportler augenzwinkernd, hat der Coach sich eingestellt. Dass er immer auf den letzten Pfiff kommt etwa. „Schon als Knirps war das so, das hat sich bis heute nicht geändert.“ Oder die hin und wieder vergessenen Trainingsutensilien. Dzemski hat deshalb vorsichtshalber einen zweiten Kopfschutz im Auto.

Eine Eigenart von Bösel dürfte seinem Coach ganz sicher gefallen: Er kann einfach nicht verlieren. Allerdings: Was im Ring Gold wert ist, führt außerhalb der Seile schon mal zu schlechter Laune. Wenn der Ehrgeizling beim Fußballtennis, Dart oder Bowling nicht Erster ist, dann will er unbedingt eine Revanche. Da kann Bösel hartnäckig sein. Noch eine Eigenschaft, von der er als Profisportler profitiert.

Nicht immer ging es geradlinig nach oben. Schmerzen in der Schulter oder Achillessehne wurden zur Karrierebremse. Das Handtuch geworfen hat er nie - und wird jetzt für seinen langen Atem belohnt. Ans Aufhören denkt der Champion noch lange nicht. Dieser Tage wird der Trainerschein verlängert, damit er bei den Freyburger Amateuren auch mal aushelfen kann, wenn Not am Mann ist. Später will er sich mit seiner Luisa ein paar Tage in der Sonne gönnen. Und danach hat ihn der Alltag wieder - Weltmeister hin oder her. (mz)

Trainer Dirk Dzemski (l.) und Vater Bernd - zwei Männer, die Dominic Bösel auf dem Weg nach oben begleitet haben.
Trainer Dirk Dzemski (l.) und Vater Bernd - zwei Männer, die Dominic Bösel auf dem Weg nach oben begleitet haben.
Holger John