Deutschland startet in Handball-WM Deutschland startet in Handball-WM: Trainer Gislason ist der große Hoffnungsträger

Kairo - Wenn Brötchen, Gemüse oder Nudeln serviert werden, dreht Alfred Gislason richtig auf. „Alfred hat jedes Mal eine Anekdote auf Lager, die den Tisch emotional zum explodieren bringt. Das tut uns allen gut“, erzählt DHB-Sportvorstand Axel Kromer über die Mahlzeiten mit dem Isländer, der bei der WM in Ägypten seine Turnier-Premiere als Handball-Bundestrainer feiert.
Nicht nur die Stimmung ist bei den deutschen Handballern Chefsache. Seit der nach außen bisweilen etwas grantelig wirkende Gislason im Februar das Ruder übernommen hat, weht in der Nationalmannschaft ein neuer Wind. Mit seiner klaren Ansprache kommt der 61-Jährige bei den Spielern an, mit der Erfahrung aus über drei Jahrzehnten als Trainer macht ihm keiner etwas vor.
Die WM dürfte aber sein schwerster Job werden. Auch wegen Corona.
„Ich freue mich riesig, dass es endlich losgeht und wir spielen“, sagte Gislason am Tag vor dem Auftakt: „Deswegen sind wir hier, das macht uns allen am meisten Spaß.“
Alfred Gislason soll den Erfolg zurück zum deutschen Handball bringen
Die vier Siege in den vier EM-Qualifikationsspielen, Gislasons bislang einzigen Partien als Big Boss beim DHB, sollen erst der Anfang sein. Nach der medaillenlosen Zeit unter Christian Prokop plant der Verband mit Gislason die Rückkehr aufs Treppchen. Spätestens mittelfristig.
„Er ist der richtige Mann, um aus unserem Haufen etwas Gutes zu zaubern“, sagte Rechtsaußen Timo Kastening im Sportschau-Interview. Kai Häfner, einer von vier verbliebenen 2016-Europameistern im deutschen Team, bezeichnete Gislason einen „absoluten Ruhepol. Er gibt uns Sicherheit und ein gutes Gefühl.“ Laut Torhüter Andreas Wolff sei Gislason ein „Taktikfuchs. Er ist mit allen Wassern gewaschen und versteht es, die Spieler in wichtigen Situationen richtig einzusetzen.“
Vor seinem Premierenturnier als DHB-Coach muss Gislason, der Mann der Titel und Triumphe, der Trainer, der mit dem THW Kiel über Jahre hinweg alles gewonnen hat, was es im Handball zu gewinnen gibt, aber erstmal kleinere Brötchen backen. Statt mit voller und eingespielter Kapelle nach Edelmetall zu greifen, gilt es für ihn, aus einem völlig neu zusammengestellten Team in Rekordzeit eine schlagkräftige Einheit um Kapitän Uwe Gensheimer zu formen. Und das unter Corona-Bedingungen.
Deutschland vor Pflichtsiegen gegen Uruguay und Kap Verde
Der WM-Spielplan kommt Gislason entgegen. Nach einer vielversprechenden Turnier-Vorbereitung und zwei deutlichen Siegen gegen Österreich stehen in Gizeh mit den Partien gegen Uruguay am Freitag (18 Uhr live in der ARD) und Kap Verde am Sonntag zunächst zwei bessere Trainingsspiele an, die auch Gislason vorab als erweiterte Vorbereitung wertete. Im Gruppenfinale wartet gegen den EM-Neunten Ungarn dann wohl ein erster echter Prüfstein.
Auch jammern ist nicht Gislasons Sache. Weder als seine Premiere im März wenige Stunden vorher abgesagt wurde, noch als die Olympia-Quali ins Wasser fiel - und auch nicht, als vor dem WM-Turnier die vielen Absagen von am Ende insgesamt sieben Stammkräften eintrudelten.
„Ich hätte mir das sicherlich alles anders gewünscht, aber ich bin sehr neugierig“, sagte Gislason bloß, schüttelte sich und bereitete sein Team mit Akribie und Hingabe auf den bevorstehenden Höhenpunkt vor. „Ich kann versprechen, dass die Mannschaft alles geben wird“, so Gislason.
Deutschland bei Handball-WM nicht im Favoritenkreis
Eines ist klar: Von einer Favoritenrolle ist sein Team in diesem Turnier weit weg. Und vielleicht ist es genau das, was die recht unerfahrene deutsche Mannschaft mit ihrem prominenten Trainer diesmal braucht.
„Aufgrund seiner sportlichen Erfahrungen, aber auch aufgrund seiner enormen Lebenserfahrung wird er der große Stabilisator sein, gerade in der jetzigen Situation“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning über Gislason: „Wenn du jemanden an deiner Seite hast, der alles gewonnen hat, gibt dir das genau jene Sicherheit, die notwendig sein wird.“ (sid)