Tod von Hannes S. war trauriger Höhepunkt Tod von Hannes S. war trauriger Höhepunkt: Fälle von Fangewalt nehmen massiv zu
Halle (Saale) - In Sachsen-Anhalt sind gewaltbereite Fußballfans zu einem wachsenden Problem für die öffentliche Sicherheit geworden.
Laut Landeskriminalamt (LKA) wurden allein in der abgelaufenen Saison 2015/16 im Land 92 Menschen am Rande von Fußballspielen verletzt, darunter 46 Polizisten. Damit verdoppelte sich die Zahl der Körperverletzungen beinahe im Vergleich zur Vorsaison. 2014/15 hatte das LKA 49 Körperverletzungen gezählt, im Jahr zuvor 42. Der erste bekannt gewordene Todesfall hatte am Mittwoch bundesweit Bestürzung ausgelöst.Hannes S., Fan des 1. FC Magdeburg, war an diesem Tag seinen Kopfverletzungen erlegen.
Brisant ist der Fall, weil der Verdacht im Raum steht, dass S. von Anhängern des Halleschen FC in den Tod getrieben wurde. Nach einer Auseinandersetzung in einem fahrenden Zug war er aus dem Wagen gestürzt. Die Ermittlungen der Polizei laufen derzeit.
Sicherheitskonferenz vor dem Duell FCM gegen HFC
Die Gewerkschaft der Polizei spricht von einer „deutlichen Steigerung des Gewaltpotenzials“ im vergangenen Jahr. „Wir sind noch bei der Ursachenforschung“, sagte Vorsitzender Uwe Petermann. Klar ist: Der Anstieg fiel 2015/2016 zusammen mit einer besonderen Situation in der 3. Bundesliga: acht Ostklubs, 56 Derbys, alle unter strenger Beobachtung der Polizei. Diese Erklärung zieht das Magdeburger Innenministerium heran. Allein in Sachsen-Anhalt gab es elf Hochsicherheitsspiele - in der Regel werden dann knapp 1.000 Polizisten mobilisiert.
Gewerkschafts-Chef Petermann sagte, er erwarte von beiden Clubs und Fanvereinigungen, „dass es nun Ansprachen gibt, der Kontakt zu gewaltbereiten Störern gesucht wird.“ Fast zeitgleich kündigte HFC-Präsident Michael Schädlich am Mittwoch eine Sicherheitskonferenz im Vorfeld des anstehenden Ligaspiels der Rivalen an.
In Halle und Magdeburg gebe es jeweils ein Potenzial von rund 100 „Hardcore-Straftätern“, denen es um Gewalt statt Sport gehe, sagte Petermann. „Hier muss endlich erreicht werden, dass ein Spalt zwischen denen und dem Rest der Fanszene getrieben wird.“
Auch der DFB sei in der Pflicht, langfristig für Deeskalation zu sorgen. „Meine Meinung ist, es müsste viel öfter Spielabbrüche geben, wenn Fans im Stadion Pyrotechnik zünden oder Gegenstände aufs Spielfeld werfen“, so Petermann.
„Wir haben an Hannes gedacht“
Die alte Debatte darüber, ob sich Fußballvereine künftig an Polizeieinsätzen finanziell beteiligen sollen, ist in Sachsen-Anhalt hingegen versandet. Eine solche Regelung sei schon juristisch nicht umsetzbar, heißt es übereinstimmend aus Innenministerium und Polizeigewerkschaft.
Doch dies interessiert die direkt Betroffenen nur am Rand. Noch am Mittwochabend hatte sich der Großteil der Mannschaft des 1. FC Magdeburg zum Gedenken an Hannes S. vor dem Nordeingang des Stadions versammelt. „Wir haben an Hannes gedacht“, erklärte Abwehrspieler Felix Schiller am Donnerstag. „In dieser Situation können wir den Angehörigen nur unser tiefstes Beileid aussprechen. Jetzt muss unsere Familie, jetzt muss unser Verein noch enger zusammenrücken.“
FCM-Trainer Jens Härtel erklärte: „Unsere Gedanken sind bei der Familie und den Freunden. Die Mannschaft und das Trainerteam ist tief betroffen. Das ist eine schwere Situation.“ (mz)