Wetterphänomen bei Gewitter Wetterphänomen bei Gewitter: Fragen und Antworten zum gruseligen Tornado-Mai

Halle (Saale)/Wiesbaden - Schon wieder ist es passiert: Tornados haben am Mittwochabend schwere Verwüstungen angerichtet. Nachdem vergangene Woche Norddeutschland dran war, traten die Tornados nun in Süddeutschland auf. Laut Dominik Jung vom Wetterportal wetter.net hat es die Region rund um Augsburg besonders schlimm erwischt. Dort wurden bis zu 200 Häuser zum Teil schwer beschädigt. Einige von Ihnen sind zum Teil unbewohnbar. Wir sehen gruselige Bilder, wie wir sie eigentlich nur aus den USA kennen. Autos liegen auf dem Dach, Hausdächer sind teilweise nicht mehr vorhanden.
Ist das noch normal? Spielt das Wetter verrückt? Müssen wir uns auf weitere Tornados einstellen? Wie entstehen Tornados? Sind Tornados in Deutschland normal? Wurde rechtzeitig gewarnt? Dazu Fragen an und Antworten von Dominik Jung.
Wie entsteht ein Tornado?
Jung: Heftige Gewitter sind immer eine gute Ausganglage für die Bildung eines Tornados. So war das am Mittwochabend in Süddeutschland, so war es auch vergangenen Mittwoch in Norddeutschland der Fall. In der Gewitterwolke steigt warme Luft spiralförmig nach oben. Dabei werden Drehbewegungen immer schneller, wie ein Eiskunstläufer, der eine Pirouette dreht. Schließlich wird an der Unterseite der Gewitterwolke eine Art Schlauch sichtbar. Bekommt dieser Bodenkontakt, dann wird es richtig gefährlich, denn der Tornado kann zu schweren Schäden führen, besonders dann, wenn er über bewohntem Gebiet tobt.
Durch den Sog reißt er alles nach oben, was ihm in den Weg kommt. Wird er schwächer, dann fällt alles wieder nach unten. Die Windgeschwindigkeiten können in so einem Tornado enorm hoch werden, bis zu 500 Stundenkilometer sind problemlos möglich. Man klassifiziert mit der sogenannten Fujita-Skala die Stärke eines Tornados. Oftmals kann man auch erst im Nachhinein anhand des Schadenbildes beurteilen, ob es sich um einen Tornado gehandelt hat oder nicht. Gerade in der Region Augsburg war es am Mittwochabend beim Auftreten des Tornados bereits dunkel. Daher konnte man dort erst anhand der Schäden und verschiedener Radarbilder feststellen, dass es ein Tornado gewesen sein muss.
Die Windgeschwindigkeit eines Tornados kann nur geschätzt werden. Das macht man anhand der aufgetretenen Schäden.
Sind Tornados in Deutschland normal und/oder erleben wir derzeit eine ungewöhnliche Häufung der Ereignisse?
Jung: Jedes Jahr gibt es in Deutschland weit mehr als 100 Verdachtsfälle, davon werden im Schnitt 50 bis 60 als tatsächliche Tornados bestätigt. Tornados gab es zudem schon immer in Deutschland. Nur sind sie nicht immer so bewusst wahrgenommen worden wie in der technisch weit fortgeschrittenen Neuzeit. Heutzutage hat jeder ein Smartphone. In Sekunden können Beobachtungen ausgetauscht und publik gemacht werden. Deutschland ist durchaus ein Tornado-Land. Und: Innerhalb Europas ist Deutschland sogar eine Tornado-Hochburg, wie eine Untersuchung zeigt.
Innerhalb Europas gab es demnach zwischen 2004 und 2013 in Deutschland die meisten Tornado-Meldungen. Dabei bleibt allerdings offen, ob man hier lediglich besser beobachtet und meldet, oder ob es bei uns tatsächlich die meisten Tornados gibt. Darüber kann man aktuell nur spekulieren. Dieses Jahr gab es schon knapp 30 Verdachtsfälle und 15 bestätigte Fälle. Für Mitte Mai ist das durchaus eine ungewöhnlich hohe Zahl, zumal die Tornado-Saison eigentlich erst im Juni so richtig beginnt und bis Ende August dauert. Das ist in der Regel die Phase mit sommerlichen Gewitterlagen.
Der Mai hat in seiner ersten Monatshälfte bereits zahlreiche hochsommerliche Gewitterlagen produziert. Von einem Wonnemonat war wenig zu spüren. Die Temperaturen hatten dabei bereits Spitzenwerte bis 32 Grad im Schatten erreicht. Es folgten rasch stramme Abkühlungen, und das führte zu den zahlreichen Unwetterlagen.
Auf der nächsten Seite geht es unter anderem um die Frage, ob in den nächsten Monaten mit weiteren Tornados zu rechnen ist.
Wurde im Vorfeld von Seiten des Deutschen Wetterdienstes genügend gewarnt?
Jung: Wetter.net hatte bereits am Montag vor neuen heftigen Gewittern und möglichen Tornados gewarnt. Auch die amtlichen Warnungen des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach waren diesbezüglich eindeutig. Es wurde auch hier vor schweren Unwettern gewarnt und die Möglichkeit zur Bildung von Tornados wurde aufgezeigt. Der staatliche wie auch etliche private Wetterdienste haben in diesem Fall rechtzeitig vorgewarnt. Auch wenn der eine oder andere besserwisserische „Meteorologe“ das vielleicht anders sieht.
Eine räumliche bzw. zeitnahe Warnung vor solchen Gebilden ist meteorologisch nicht möglich. Selbst auf aktuellen Radarbildern kann man lediglich erkennen, dass es aufgrund der Strukturen einen Tornado geben könnte. Hat sich ein Tornado erst einmal gebildet, dann hat er oft nur eine Lebensdauer von wenigen Minuten. Dass es bei den Tornados in Bützow bzw. bei Augsburg keine Schwerverletzten oder gar Todesopfer gab, deutet darauf hin, dass die Menschen die Unwetterwarnungen im Vorfeld ernst genommen haben.
Mehr können Wetterdienste an dieser Stelle nicht tun. Selbst wenn wir 30 bis 60 Minuten vor einem Tornado warnen könnten: Was würde dies an den immensen Sachschäden ändern? Für Mensch und Tier kann es dann nur noch darum gehen, sich selbst zu schützen. Ähnlich ist es bei einem Hagelunwetter: Ein Landwirt hat nun mal keine Möglichkeit, raus aufs Feld zu fahren und seine Kulturen vor den Hagelkörnern zu schützen … Das ist nun mal leider der Lauf der Natur(-gewalt).
Müssen wir in den kommenden Monaten mit weiteren Tornados rechnen?
Jung: Ob die Häufigkeit von Tornado-Ereignissen in den vergangenen Tagen nur Zufall war oder ob sich hier ein Trend für den kommenden Sommer ausbildet, ist derzeit nicht zu sagen. Die vergangenen Sommer 2014 und 2013 waren bereits sehr wechselhaft und unwetterlastig. Für den kommenden Sommer 2015 kann man natürlich noch keine Wetterprognose abgeben. Der US-Wetterdienst NOAA hat allerdings einen ersten klimatologischen Trend für Mitteleuropa ausgegeben. Demnach soll auch dieser Sommer eher wechselhaft ausfallen. Das spricht für Temperaturschwankungen, ähnlich wie aktuell im Mai. Das würde die Ausbildung weiterer heftige Gewitter begünstigen.
Und damit bliebe auch die Wahrscheinlichkeit für weitere Tornados in den nächsten Wochen ziemlich hoch. Doch erst mal können wir aufatmen. In den kommenden sieben bis zehn Tagen wird es insgesamt nur mäßig warm und vielfach auch nass. Schwül-warme Luftmassen, die für heftige Gewitter sorgen könnten, sind derzeit nicht in Sicht. Es gibt somit eine Verschnaufpause.
(mz)

