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USA USA: Dugard-Entführer angeklagt

30.08.2009, 10:56

San Francisco/dpa. - 18 Jahre war sie eingesperrt und wurde sexuell missbraucht - jetzt hat das Martyrium der Amerikanerin Jaycee Lee Dugard ein Ende. Die Polizei befreite die inzwischen 29-jährigenahe ihrem Elternhaus aus der Gewalt eines Ehepaares. Sie war 1991 als Elfjährige gekidnappt worden. Dugard brachte in der Zeit zwei Kinder von ihrem Entführer zur Welt, wie die Polizei im nordkalifornischen Placerville am Donnerstag mitteilte. Nachbarn und Bekannten beschrieben den Mann als religiösen Fanatiker, der davon sprach, er höre Gottes Stimme.

Im Entführungsfall Jaycee kommen immer mehr Details überErmittlungspannen der kalifornischen Polizei ans Licht. Außerdem wirdgegen den 58-jährigen Phillip Garrido jetzt auch im Zusammenhang mitungeklärten Morden an Prostituierten in den 90er Jahren ermittelt.

Dutzende Polizisten durchkämmten am Wochenende in demkalifornischen Ort Antioch Haus und Grundstück des Mannes. Frühestensam Montag wollen die Ermittler weitere Einzelheiten bekanntgeben.Nach Polizeiangaben wurden die Leichen der Huren in der Nähe einesfrüheren Arbeitsplatzes Garridos gefunden. Er sei «eine Person vonInteresse», berichtete der Radiosender KCBS am Samstag.

Kidnapper plädieren auf «nicht schuldig»

Am Freitag wurde gegen Garrido und seine Ehefrau Nancy Anklageerhoben. Sie müssen sich unter anderem wegen Entführung,Vergewaltigung und Freiheitsberaubung verantworten. Insgesamt liegenmehr als zwei Dutzend Anklagepunkte vor, doch die Kidnapperplädierten auf «nicht schuldig». Im Falle einer Verurteilung drohtihnen eine lebenslange Haft.

Die Polizei räumte gleichzeitig schwere Fehler ein. Die Behördenin Antioch nahe San Francisco hätten die Eheleute, die 1991 daselfjährige Mädchen Jaycee verschleppt, es 18 Jahre lang gefangengehalten und sexuell missbraucht haben sollen, schon früher entdeckenkönnen. Obwohl Bewährungshelfer den vorbestraften Sexualstraftätermehrfach zu Hause kontrollierten, wurden sie nicht auf das Versteckim Hinterhof des Anwesens aufmerksam.

2006 hatte eine misstrauische Nachbarin den Notruf gewählt. Siebeschrieb Garrido als «Psycho» und berichtete von den Kindern, die inZelten lebten. Diesem Tipp hätte man mit mehr Nachdruck nachgehensollen, sagte Sheriff Warren Rupf. Ein Beamter habe damals zwar mitGarrido in dessen Vorgarten gesprochen, aber nicht das Hausdurchsucht. Der Ermittler wusste angeblich nicht, dass derHausbesitzer bereits ein Vorstrafenregister als Sexualverbrecher hat.In einem Gartenversteck hinter dem Haus des Ehepaares wurde diejetzt 29 Jahre alte Jaycee Lee Dugard fast zwei Jahrzehnte gefangengehalten. Garrido zeugte mit ihr zwei Kinder. Die Töchter derEntführten sind 11 und 15 Jahre alt. Jaycees Mutter, Terry Probyn,hatte ihre Tochter am Donnerstag erstmals wieder getroffen.

Das Wiedersehen brachte aber auch widersprüchliche Gefühle zumVorschein, räumte Stiefvater Carl Probyn am Freitag ein. «Sie(Jaycee) fühlt sich schuldig, dass sie mit diesem Mann eine so engeBindung eingegangen ist. Er hatte sie 18 Jahre, wir hatten sie nur 11Jahre», sagte er der «New York Times». Seit ihrem Auftauchen amMittwoch hat sich Dugard noch nicht öffentlich gezeigt. Sie haltesich mit ihrer Mutter und ihren Kindern in einem Hotel inNordkalifornien auf, berichteten US-Medien.

Erstes Urteil gegen Garrido: 50 Jahre Haft

Die Ermittlungspannen der Polizei begannen nach einem Bericht derZeitung «The Reno Gazette-Journal» schon 1993 - zwei Jahre nach derEntführung von Jaycee. Damals musste Garrido eine viermonatigeHaftstrafe verbüßen, weil er gegen Bewährungsauflagen verstoßenhatte, doch sein Haus wurde offensichtlich nicht genau durchsucht.

Garrido verbüßte von 1977 bis 1988 eine Haftstrafe wegenEntführung und eines Sexualdelikts. In Reno (Nevada) hatte der damals25-Jährige eine junge Frau in einem Schuppen eingeschlossen undvergewaltigt. Ursprünglich war er zu 50 Jahren Haft verurteiltwurden, kam aber nach 11 Jahren auf Bewährung frei. Seine Frau Nancylernte er im Gefängnis kennen, als sie einen Mitgefangenen besuchte.

Garridos 88 Jahre alter Vater, Manuel Garrido, beschrieb seinenjüngsten Sohn als einen «kranken Mann». Er sollte bestraft, aber wieeine «verrückte Person» behandelt werden, sagte der inNordkalifornien lebende Mann der «Los Angeles Times». Der Ärger habeschon in der Schule begonnen, nachdem der Junge die Droge LSDentdeckt hatte. «Damit ruinierte er sein Leben. Danach stellte ereine Menge verrückter Dinge an.» Nancy Garridos Verteidiger, GilbertMaines, sagte Reportern am Freitag, dass er sich noch kein Bild vondem Geisteszustand seiner Mandantin machen konnte. «Sie sitzt auf derAnklagebank und weint», berichtete er nach dem Gerichtstermin.

Spitzname «gruseliger Phil»

In der Nachbarschaft hatte Phillip Garrido den Spitznamen«gruseliger Phil». Die Anwohner in dem ländlichen Vorort sahen denMann als religiösen Spinner an, nicht aber als Entführer undKinderschänder. Kathy Russo, deren Elternhaus an das GrundstückGarridos grenzt, sagte dem Sender KCBS, dass sie keine Ahnung davonhatte, was sich in dem «Haus des Horrors» abspielte. «Es ist sotraurig, wie diese Kinder leiden mussten, während wir nebenan beimGrillen und Feiern Spaß hatten.»