Urteil in Berlin Urteil in Berlin: Gericht erlaubt Körperwelten-Museum am Alexanderplatz
Der Plastinator Gunther von Hagens und seine Ehefrau Angelina Whalley dürfen ihr umstrittenes Körperwelten-Museum im Sockel des Berliner Fernsehturm einrichten. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht am Freitag entschieden und damit ein Verbot des Bezirks Mitte zurückgewiesen. Wie der Vorsitzende Richter Björn Schaefer das Urteil begründete, sei für die Ausstellung keine vorherige Genehmigung nach dem Berliner Bestattungsgesetz erforderlich. „Auch wenn die Plastinate nach dem Wortlaut des Gesetzes immer noch Leichen seien, habe der Gesetzgeber solche plastinierten Leichen nicht mit erfassen wollen“, sagte Schäfer.
Der Bezirk Mitte hatte das anders gesehen und das geplante Leichenmuseum verboten. Mehrfach hatte Mittes Bürgermeister Christian Hanke (SPD) darauf verwiesen, dass Leichen in Berlin bestattet werden müssen. Und nach Einschätzung des Bezirks sind die Plastinate – so werden die dauerhaft konservierten Leichen bezeichnet, nachdem Zellflüssigkeit des Körpers durch Kunsstoff ersetzt wird – dennoch Leichen und unterliegen dem Bestattungsgesetz. Gründe für eine Ausnahmegenehmigung hatte der Bezirk nicht gesehen.
Angelina Whalley, zugleich Kuratorin des Museum, sieht sich durch das Urteil gestärkt. Auch ihr Rechtsanwalt Holger Schmitz ist mit dem Ergebnis des Prozesses zufrieden. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass „die Ausstellung gezeigt werden darf und sie der Wissenschaftsfreiheit entspricht“. Man habe immer klargestellt, dass bei den Plastinaten die Menschenwürde zu wahren sei und keine lächerlich machenden Posen gezeigt würden.
Kritiker werfen von Hagens dagegen vor, die aufgeschnittenen Leichen nur zur Schau zu stellen und hatten dies als pietätlos und sittenwidrig bezeichnet. Außerdem werde die Totenruhe gestört und die Würde des Menschen verletzt. Derart hatten sich etwa die evangelische Kirche sowie die Bestatter-Innung Berlin geäußert. Es gibt aber auch Befürworter, die die Ausstellung für sehenswert und lehrreich halten, weil man darin viel über den menschlichen Körper erfahre.
Das umstrittene Museum soll im ersten Geschoss der Sockelbauten am Fernsehturm eingerichtet werden. Whalley hatte in diesem Jahr bereits 1 200 Quadratmeter Fläche angemietet, der Umbau läuft. Wie Whalley sagt, sollen 20 komplette Körper sowie etwa 200 Körperteile zu sehen sein. Die Eröffnung des Museum ist für Ende Januar oder Anfang Februar geplant.
Mit dem Urteil hat erstmals ein Gericht in Deutschland die Plastinate nicht als Leichen gewertet. Die Ausstellung Körperwelten wurde bisher in 19 deutschen Städten gezeigt, darunter in den Jahren 2001, 2009 und 2011 im Postbahnhof in Friedrichshain – aber nur zeitlich befristet. Mehrfach hatten Gerichte die Leichen-Schau für zulässig erklärt. In Berlin wurde aber 2010 untersagt, Leichen öffentlich im Postbahnhof zu zerschneiden.
Wie Richter Schaefer sagt, sei die Entscheidung nicht leicht gefallen. „Plastinate verwesen aber nicht, könnten also nicht auf Friedhöfen bestattet werden.“ Auch eine Feuerbestattung scheide aus, weil die Körper in den derzeit bestehenden Krematorien nicht eingeäschert werden könnten, so der Richter. Lediglich bei einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung könne die Behörde einschreiten. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils ließ Schaefer die Berufung am Oberverwaltungsgericht zu.
Der Bezirk Mitte nimmt das Urteil zurückhaltend auf. „Wir sind weder überrascht noch irritiert. Damit musste man rechnen“, sagt Rechtsamtsleiterin Luise Geisler-Ortmann. Man werde jetzt prüfen, ob man in Berufung gehe oder ein Einschreiten nach dem Sicherheits- und Ordnungsrecht möglich ist.