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Umstrittene Entscheidung Umstrittene Entscheidung: Tafel in Essen nimmt nur noch Menschen mit deutschem Pass an

Von Helena Schwar 22.02.2018, 12:25
Schlange vor einer Tafel in Düsseldorf
Schlange vor einer Tafel in Düsseldorf dpa

Essen/Köln - Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafeln in Deutschland stöhnen unter dem starken Andrang auf die Ausgabestellen. Die steigende Bedürftigkeit hat die Zahl der Menschen, die regelmäßig die Tafel in Anspruch nehmen in den vergangenen Jahren um das doppelte Ansteigen lassen. Die Flüchtlingskrise hat noch einmal für einen extremen Zuwachs gesorgt. 

Als Konsequenz aus dieser Überlastung hat sich die Essener Tafel um den Vorsitzenden Jörg Sartor dazu entschieden, vorerst keine weiteren Migranten mehr zu bedienen. Derzeit werden nur noch Neukunden mit einem deutschen Pass angenommen. „Grund hierfür ist die zuletzt deutlich gestiegene Kundenzahl und die Notwendigkeit, die so entstandene Situation zu entspannen“, gab die Tafel in einer Stellungnahme bekannt.

Dass Tafeln Neuanmeldungen ablehnen sei üblich, erklärt Wolfgang Weilerswist, Landesvorsitzender der Tafeln NRW. „Wir unterscheiden aber nicht zwischen Nationalitäten.“ Das Vorgehen in Essen sei nicht die übliche Praxis. Aber auch er betont die zunehmende Belastung. Immer mehr Tafeln müssten öffnen, gleichzeitig fehle es aber an Personal, das die Arbeit stemmen kann. Körperlich, und vor allem zeitlich. „Die meisten Ehrenamtler, die für uns tätig sind, sind pensioniert. Ein Berufstätiger kann uns unter der Woche nicht helfen.“

Frauen fühlen sich unwohl

Die Essener Tafel gibt rund 1800 Nutzerkarten aus, die nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch von Familien verwendet werden. 61 Prozent der Karteninhaber waren laut Sartor zuletzt Nicht-Deutsche. Das entspreche einem realen Anteil von 75 Prozent aller rund 6000 Nutzer, weil die nicht-deutschen Familien oft kinderreich seien. Vor dem starken Zuzug von Migranten 2015 habe der Anteil nur bei 35 Prozent gelegen. In den vergangenen Jahren, so Sartor, sei zu beobachten, dass „die älteren Tafel-Nutzerinnen sowie alleinerziehenden Mütter offenbar einem schleichendem Verdrängungsprozess zum Opfer gefallen sein“, erklärte er der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“.

Das Angebot der Tafeln können alle Menschen in Anspruch nehmen, die eine Bescheinigung über staatliche Leistungen wie Hartz IV vorweisen können. Seit 1993 ist die Tafel in Deutschland aktiv und versorgt regelmäßig an 930 Tafeln mit fast 2100 Ausgabestellen bis zu 1,5 Millionen Bedürftige. 60.000 Menschen sind ehrenamtlich für die Tafel tätig.

In Nordrhein-Westfalen kommen jedes Jahr etwa 200.000 Menschen zur Tafel, die Hälfte von ihnen sind Rentner und etwa 10.000 Flüchtlinge. Auch bundesweit sind nach Angaben des Vereins Tafel Deutschland etwa 60 Prozent der Tafel-Kunden nicht-deutscher Herkunft. Die Tafel sieht sich nicht als Vollversorger, sondern als eine Ergänzung. (hel)

Durch eine Umfrage unter diesen Frauen sei deutlich geworden, dass sich vor allem die älteren von einer „Vielzahl junger, fremdsprachiger Männer an den Ausgabestellen abgeschreckt gefühlt hätten“. Das, so Sartor, liege auch am „mangelnden Respekt gegenüber Frauen“ einiger Männer. Es fanden lange Diskussionen im Verein statt, wie man ein Gleichgewicht wieder herstellen könnte. Nun fordert eine neue Regelung der Essener den Besitz eines deutschen Passes.

Ein massiver Andrang wie in Essen sei jedoch an allen Tafeln in Nordrhein-Westfalen zu vermelden, so die stellvertretende Vorsitzende Claudia Manousek in Dormagen. Ein Handeln wie in Essen sei aber an keiner anderen Ausgabestelle bekannt.

Forderungen an die Politik

Nach Angaben des Landesverbandes gibt es durchaus Unmut bei den Kunden. Migranten hätten gelegentlich falsche Erwartungshaltungen. Die Düsseldorfer und die Dortmunder Tafel nehmen jedoch ohne Einschränkungen weitere Kunden auf.

Die Belastung nehme allerdings nicht nur durch die Flüchtlinge zu, sondern auch durch die wachsende Altersarmut im Land. Jedes Jahr, so schätzt Weilerswist, steige die Zahl der pensionierten Bedürftigen um zehn Prozent an. Die Politik müsse handeln. Das fordert auch die Tafel Deutschland. Sie verlangt in einem Appell an die neue Regierung, dass „nachhaltige Lösungen für die akuten Probleme der Ärmsten“ gefunden werden.