Messergewalt Tödliche Attacke am Touristenort: Polizei verstärkt Präsenz
Messergewalt ist in Berlin ein ernstes Problem. Zuletzt stirbt ein Mann nach einem Stich ins Herz. Die Hintergründe sind offen. Aber es gibt Reaktionen.

Berlin - Nach dem tödlichen Messerangriff bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen am Humboldt Forum in Berlin hat die Polizei ihre Präsenz dort verstärkt. Polizeipräsidentin Slowik Meisel erklärte, man werde einer „Kriminalisierung“ dieses vor allem auch bei Touristen beliebten Ortes deutlich entgegentreten und nicht zulassen.
„Die Örtlichkeit wird zu einem aktuellen Schwerpunkt der polizeilichen Maßnahmen, präventiv wie repressiv“, sagte Slowik Meisel der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Dieser zentrale Punkt unserer Stadt soll von allen Menschen in der Stadt sicher nutzbar sein, um sich zu entspannen. Messer haben dort keinen Platz!“
Innensenatorin: besorgniserregende Entwicklung
Der Innensenatorin Iris Spranger zeigte sich angesichts des jüngsten Vorfalls bei dem ein 20-jähriger Syrer starb, besorgt: „Der Anstieg von Gewalttaten mit dem Tatmittel Messer ist besorgniserregend, die Einzelfälle der jüngsten Vergangenheit machen einen fassungslos“, sagte Spranger der dpa.
Der getötete Syrer erlitt bei der Auseinandersetzung am Freitagabend laut Staatsanwaltschaft mehrere lebensgefährliche Stichverletzungen, auch ins Herz. Er starb in der Nacht zum Samstag. Nach bisherigen Ermittlungen war der Getötete mit zwei weiteren Männern unterwegs. Der Syrer wurde demnach von einer Gruppe aus etwa 15 Menschen angegriffen. Seine Begleiter im Alter von 22 und 23 Jahren wurden leicht verletzt.
Fahndung nach Täter
Die Hintergründe der Tat sind unklar - und der Täter nicht gefasst. Nach ihm wird gefahndet. Auch weitere Beteiligte müssen nach Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft, Sebastian Büchner, ermittelt werden. Unmittelbar nach der Gewalttat am Freitagabend habe es keine Festnahmen gegeben.
Neben der Vernehmung von zwei weiteren Verletzten werde geprüft, ob es weitere mögliche Zeugen gebe. Denkbar sei ein Zeugenaufruf, so Büchner. Zudem werde geprüft, ob es Aufnahmen von Videokameras in dem Bereich des Kulturforums gebe. Auch bei Mobilfunkanbietern könne angefragt werden, welche Handys zum Tatzeitpunkt in der Funkzelle vor Ort eingeloggt waren. Bei den Ermittlungen müsse auch geklärt werden, wer aus der Gruppe überhaupt mit einem Messer bewaffnet gewesen sei, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Zusammenhang mit früherem Vorfall?
Vor knapp drei Wochen gab es einen ähnlichen Vorfall in dem Bereich: Bei einer Messerstecherei zwischen zwei Gruppen wurden am 23. August sechs Männer verletzt. Ein 24-Jähriger erlitt lebensgefährliche Verletzungen am Rücken und kam ins Krankenhaus. Die anderen Männer im Alter von 20 bis 26 Jahren erlitten nach Polizeiangaben Stich- und Schnittverletzungen an Händen, Beinen sowie an Becken und Oberkörper. Nach Angaben der Polizei handelte es sich bei allen festgestellten Beteiligten um afghanische Staatsbürger.
Laut Staatsanwaltschaft wird geprüft, ob es eine Verbindung zwischen der Gewalt am 23. August und der Auseinandersetzung am 12. September gibt.
Täglich Messerangriffe
Die Messergewalt ist ein ernstes Problem in Berlin, das Sicherheitsbehörden und Politik zunehmend beschäftigt. Fast zeitgleich zu der Attacke am Humboldt Forum wurde am Freitag ein Mann in Berlin-Reinickendorf mit einem Messer angegriffen, wodurch er auf einem Auge erblindete. Am Sonntagabend wurde ein Busfahrer in Lichtenberg von einem betrunkenen Fahrgast mit einem Messer attackiert und verletzt.
Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei in der Hauptstadt laut Kriminalitätsstatistik 3.412 Messerangriffe - also fast zehn pro Tag. Nach Angaben der Innensenatorin ist das im Langzeitvergleich der zweithöchste Wert. Die überwiegende Mehrheit der ermittelten Tatverdächtigen (knapp 88 Prozent) waren Männer. 58 Prozent hatten keine deutsche Staatsangehörigkeit.
Anstieg im ersten Halbjahr
Nach Angaben der Polizei ist bei den Fällen in der Kategorie „Messerangriff“ im ersten Halbjahr 2025 ein Anstieg von etwa 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum registriert worden. Dies sei vor allem auf einen deutlichen Anstieg von rund 20 Prozent zurückzuführen im Bereich der Bedrohung mit einem Messer, hieß es. Derartige Fälle machten etwa die Hälfte aller registrierten „Messertaten“ aus, so Polizeisprecher Florian Nath.
Zudem sei zu beachten, dass sich die statistische Erfassung geändert habe. Die Angabe zur „Art der Waffenverwendung“ sei erst seit Jahresbeginn bundesweit für bestimmte Taten verpflichtend.
Weiterhin intensive Kontrollen
Aus Sicht der Innensenatorin zeigen die Geschehnisse, wie wichtig die von ihr veranlassten Maßnahmen zur Bekämpfung von Messergewalt sind. So gilt seit Mitte Juli in Bussen und Bahnen ein Messerverbot. Seit Februar 2025 gibt es drei Messerverbotszonen an Kriminalitätsschwerpunkten: Leopoldplatz, Görlitzer Park und Kottbusser Tor. In diesen Zonen kann die Polizei unabhängig von konkreten Verdachtsmomenten Kontrollen durchführen.
„Die Wirkung dieser Zonen tritt aber natürlich nicht sofort ein, erforderlich ist ein Bewusstseinswandel“, erklärte Spranger. Weitere Verbotszonen sind nach ihren Angaben derzeit nicht konkret geplant – aber für die Zukunft auch nicht ausgeschlossen. „Wir schauen uns die Lage an jedem mit Kriminalität belasteten Ort genau an und ziehen die notwendigen Schlüsse daraus.“
Opferbeauftragter: Verfahren dauern zu lange
Berlins Opferbeauftragter Roland Weber sieht vor allem die lange Dauer von Verfahren gegen die Täter als Problem. „Wir bekommen die Leute nicht in den Griff, wenn wir ihnen nicht zügig die Sanktionen aufzeigen“, sagte Weber der Deutschen Presse-Agentur. Das erweise sich in der Praxis aber zunehmend problematisch, erklärte der Jurist, der seit mehr als 25 Jahren in Berlin Rechtsanwalt tätig ist.
Zwischen einer Tat, bei der der Verdächtige nicht in Haft sitze, bis zum rechtskräftigen Urteil könnten bis zu drei Jahre vergehen. „Ich wünsche mir eine sehr viel schnellere, schlagkräftige Justiz“, so Weber. Dies sei aber kein Berliner Problem, sondern es fehle bundesweit an Personal.