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Tod von vier Kindern Tod von vier Kindern: Betroffenheit bei Schülern und Anwohnern

15.06.2012, 12:45
Ein Ermittler in weißem Anzug trägt am Freitag in Groß Ilsede bei Peine eine rote Kiste und einen Platiksack aus dem Reihenhaus, in dem vier Kinder zu Tode kamen. (FOTO: DPA)
Ein Ermittler in weißem Anzug trägt am Freitag in Groß Ilsede bei Peine eine rote Kiste und einen Platiksack aus dem Reihenhaus, in dem vier Kinder zu Tode kamen. (FOTO: DPA) dpa

Ilsede/dpa/dapd. - Kirchenglocken läuten irgendwo hinter den Reihenhäusern. Es ist 12.00 Uhr in Groß Ilsede, wo ein Vater seine vier Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren getötet haben soll. Ein Mann mit weißem Kittel und blauen Handschuhen kommt aus einem der Reihenhäuser und geht zu einem weißen Bulli mit Blaulicht auf dem Dach. In dem Fenster rechts über der Eingangstür hängt eine Sonnenblume aus Papier. Im Garten hinter dem Haus stehen eine Schaukel mit kleinem Baumhaus und zwei kleine Fußballtore. Dann verstummen die Glocken.

„Wir haben heute keinen Unterricht mehr“, sagen sechs Teenager. Sie stehen auf der Straße vor dem Haus, umringt von Kameras und Mikrofonen. „Alle Lehrer haben geweint“, sagt eine Neuntklässlerin. „Die waren fix und fertig, es war das totale Chaos“, pflichtet ihr eine andere bei. „Wir dachten, es wäre etwas mit der Dame aus der Cafeteria, die schon länger krank war“, sagt sie. Zunächst habe ihnen niemand etwas gesagt. „Ich hatte richtig Angst, diese Ungewissheit“, sagt sie. „Es sind nur Kinder, wie kann man die nur töten“, bricht es aus einer ihrer Freundinnen heraus.

„Heute hätte sie ihr Zeugnis bekommen“

Das älteste der vier getöteten Kinder, ein zwölfjähriges Mädchen, ging auf ihre Schule. „Heute hätte sie ihr Zeugnis bekommen, es hätte sich entschieden, auf welche weiterführende Schule sie gekommen wäre“, sagt der einzige Junge in der Gruppe. „Wir kannten sie vom Sehen“, sagt er und verstummt. Ein anderes Mädchen beantwortet die Frage einer Reporterin. „Wir lesen immer in der Zeitung, dass so was in Hamburg oder Bremen passiert - aber hier?“, sagt sie und blickt zu Boden. Nachdem die Teenager noch erzählt haben, dass auch der Abschiedsstreich der Zehntklässler abgeblasen worden ist, fallen den Reportern keine Fragen mehr ein.

Die Teenager stehen noch eine Weile im Kreis. Plötzlich fängt ein blondes Mädchen an zu schluchzen. Die Gruppe wird nervös, schnell gehen die Schüler davon. Es wird ruhig in der Wohnstraße. Die Reporter stehen herum. Einige diskutieren ab und zu mit zwei Polizistinnen, dürfen aber trotzdem nicht näher an das Haus der Familie. Gegenüber kommt ein Mann mit schlohweißem Haar aus der Haustür. „Natürlich habe ich die Familie gekannt“, sagt er. Er wimmelt ab, holt ein Schälchen Erdbeeren aus der Garage und geht wieder rein.

„So etwas kann man sich gar nicht vorstellen“

„Die Ruhe lügt einem etwas vor“, sagt eine junge Frau mit langen blonden Haaren und einem zweijährigen Sohn an der Hand. „Wenn hier doch so etwas passiert“, hebt sie an, aber spricht nicht weiter. Die 32-Jährige wohnt einige Straßen entfernt. „So etwas spricht sich schnell rum im Kreis“, sagt sie. Eine Freundin sei am Vormittag „völlig aufgelöst“ zu ihr gekommen. Der Vater, der nun nach einem Selbstmordversuch in einem Krankenhaus im Koma liegen soll, sei oft mit den vier Kindern auf einem Spielplatz in der Nähe gesehen worden. Nichts Auffälliges. „So etwas kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt sie und hebt ihren Jungen hoch. „Komm, wir gehen nach Hause“, sagt sie im Weggehen.

Aus dem Haus kommen drei Männer in weißen Overalls. Die Kameraleute interessieren sie nicht. Sie streifen sich die blauen Überschuhe ab, die Handschuhe und werfen ihre weißen Schutzanzüge in den Bulli. „Das war ein Tag“, sagt einer von ihnen zum Abschied zu den Polizistinnen. Die beiden bleiben weiter auf Posten.

Ein Ermittler in weißem Anzug fotografiert am Freitag in Groß Ilsede bei Peine das Reihenhaus, in dem vier Kinder zu Tode kamen. (FOTO: DPA)
Ein Ermittler in weißem Anzug fotografiert am Freitag in Groß Ilsede bei Peine das Reihenhaus, in dem vier Kinder zu Tode kamen. (FOTO: DPA)
dpa