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Kritik an der Polizei Tod nach Polizeieinsatz: Ombudsstelle fordert Entschädigung

Ein schwarzer, psychisch kranker Mann verliert bei einem Polizeieinsatz das Bewusstsein und stirbt später im Krankenhaus. Die zuständige Ombudsstelle fordert eine Reihe von Konsequenzen.

Von dpa Aktualisiert: 15.09.2025, 15:27
Die LADG-Ombudsstelle sieht den Polizeieinsatz kritisch, nach dem ein schwarzer, psychisch kranker Mann im Oktober 2022 gestorben ist.
Die LADG-Ombudsstelle sieht den Polizeieinsatz kritisch, nach dem ein schwarzer, psychisch kranker Mann im Oktober 2022 gestorben ist. Andreas Heimann/dpa

Berlin - Drei Jahre nach einem Polizeieinsatz in Berlin-Spandau, bei dem ein schwarzer, psychisch kranker Mann das Bewusstsein verloren hatte und später gestorben war, hat die zuständige Ombudsstelle eine formelle Beanstandung gegenüber der Polizei ausgesprochen.

Die Leiterin der LADG-Ombudsstelle, Doris Liebscher, sagte, der Einsatz hätte aus antidiskriminierungsrechtlicher Sicht in dieser Form nicht stattfinden dürfen. „Und er hätte zu einem früheren Zeitpunkt abgebrochen werden müssen.“ Nach Einschätzung der Ombudsstelle gab es schwerwiegende Pflichtverletzungen in der Planung und Durchführung des Einsatzes.

Er sei nicht ausreichend vorbereitet gewesen, es sei unter anderem kein Dolmetscher und keine externe psychiatrische Hilfe hinzugezogen worden. Für die Ombudsstelle stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die in ihrem Bericht zu dem Vorgang dargestellten Pflichtverletzungen für den Tod des Mannes mitursächlich seien.

Ombudsstelle sieht klare Hinweise auf Diskriminierung

Die Durchführung des Einsatzes hat nach Einschätzung der bei der Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales angesiedelten Ombudsstelle gegen das Diskriminierungsverbot im Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) verstoßen. Einen Hinweis auf Diskriminierung sieht die Ombudsstelle sowohl mit Blick auf die Behinderung des Mannes als auch auf die mangelnde Rücksichtnahme auf dessen Sprachkenntnisse.

Aus Anlass des dritten Jahrestags des Polizeieinsatzes veröffentlichte die Ombudsstelle die Ergebnisse ihrer Ermittlungen im Rahmen eines Ombudsverfahrens, das auf die Beschwerde des Bruders des 64-jährigen Mannes, der unter einer paranoiden Schizophrenie litt, eröffnet wurde.

Dieser lebte in einem betreuten Wohnheim für wohnungslose Menschen und sprach kein Deutsch. Er sollte nach einem Gerichtsbeschluss in eine geschlossene psychiatrische Abteilung kommen. Die Betreuungsbehörde bat die Polizei um Vollzugshilfe.

Bei dem Einsatz in dem Spandauer Wohnheim am 14. September 2022 habe der Mann laut zu schreien begonnen und sich gewehrt, als die Polizisten begannen, ihn zu fixieren, erläuterte Felix Haßelmann von der Ombudsstelle. Die Polizei habe schließlich Verstärkung angefordert. Gut ein Dutzend Polizisten seien kurz darauf vor Ort gewesen.

Tod auf der Intensivstation 

Nach den Erkenntnissen der Ombudsstelle wurde der Mann ins Freie gebracht. Zeugen hätten von einem Knie auf seinem Schulterbereich berichtet, sagte Haßelmann. Erst als er nicht mehr ansprechbar gewesen sei, habe die Polizei die Fixierung in der Bauchlage beendet und anschließend mit Reanimationsmaßnahmen begonnen.

Zwar konnte anschließend der Puls wieder festgestellt werden, der Mann kam aber nicht wieder zu Bewusstsein. Er wurde in die Charité gebracht, in ein künstliches Koma versetzt und starb am 6. Oktober auf der Intensivstation. Die Todesursache sei ein durch Sauerstoffmangel bedingter Hirnschaden gewesen, sagte Haßelmann.

Die Ombudsstelle empfiehlt, dass die Polizei die Familie des Toten um Entschuldigung bittet und die Verantwortung des Landes Berlins für den Tod anerkennt, wie deren Leiterin Doris Liebscher erläuterte. Sie schlägt außerdem eine Entschädigung von mindestens 45.000 Euro vor. Die Höhe der Entschädigung orientiert sich Liebscher zufolge an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in vergleichbaren Fällen.

Ombudsstelle fordert Richtlinie für Einsätze

Über den Einzelfall hinaus forderte die Ombudsstelle verbindliche Richtlinien für Einsätze der Polizei im Zusammenhang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Außerdem müssten Aus- und Fortbildungsinhalte entsprechend angepasst werden. Liebscher sprach sich auch für eine unabhängige Studie zu dem Thema aus.

Einen Bericht zu den wesentlichen Erkenntnissen hat die Ombudsstelle der Berliner Innenverwaltung nach eigenen Angaben im August 2024 vorgelegt. Die Innenverwaltung wies auf Anfrage auf das noch laufende Strafermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zu dem Fall hin und auf eine Stellungnahme aus dem eigenen Haus vom Oktober 2024.

Eine abschließende Prüfung des Sachverhalts sei noch nicht möglich, hieß es darin. Nach Bewertung der Innenverwaltung liege außerdem keine Diskriminierung vor, aus der sich Rechtsfolgen ableiten ließen.