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Tarantel auf dem Teller Tarantel auf dem Teller: "Widerliches Essen" soll zum Nachdenken anregen

Von Birgit Holzer 02.10.2019, 04:45
Exponate in der Ausstellung des „Museums für widerliches Essen“, die derzeit in Nantes zu sehen sind: Zutaten für ein Fledermausgericht aus Guam.
Exponate in der Ausstellung des „Museums für widerliches Essen“, die derzeit in Nantes zu sehen sind: Zutaten für ein Fledermausgericht aus Guam. AFP

Nantes - Man wusste zwar von der Liebe vieler Franzosen zu Froschschenkeln und in Knoblauchbutter getränkten Weinbergschnecken – also einer für deutsche Gaumen manchmal gewagten Auslegung von gutem Essen. Und manche Dinge hätte man nicht erwartet. Ausgerechnet in Frankreich, dem Land der Gourmets und Gastronomietempel, sollten gegrillte Grashüpfer, Stierhoden oder ein Schafsauge, adrett angerichtet in Tomatensaft, auf dem Teller landen?

Sie tun es - zumindest zu Vorführzwecken bei der Wanderausstellung „Disgusting Food Museum“ („Museum für widerliches Essen“), die derzeit in Nantes Station macht. Gezeigt werden nicht vorrangig französische Spezialitäten, auch wenn ein Tartar-Steak oder die beliebte Gänsestopfleber nicht fehlen.

Exponate aus aller Welt

Vielmehr stammen die Ausstellungsstücke aus aller Welt: Darunter ist eine nach kambodschanischem Rezept in Salz und Zucker eingelegte und dann in Knoblauchöl gebratene Tarantel, deren Beine laut Beschreibung knusprig sind und das Fleisch zart; auch der Bauchbereich kann verzehrt werden, der demnach „aus Organen, Exkrementen und eventuell Eiern“ besteht – wollte man das so genau wissen?

Oder die Larven von australischen Nachtfaltern, deren Textur laut Ausstellungsmachern im Inneren an „gebratenes Eigelb“ erinnere. Zum Trinken gibt es chinesischen Reiswein mit eingelegten Mäusen. Beruhigend natürlich wirkt gegen solche Angriffe auf den – guten – Geschmack die „Stinky Toe Fruit“, eine nach stinkenden Zehen riechende Frucht aus den Antillen. Während ihr optisches Erscheinungsbild durchaus an Füße denken lässt, erinnere der süßliche Geschmack an Milchpulver, heißt es zur Erklärung, „mit einem Hauch von Parmesan und leicht pfeffrigen Kräutern“. 80 Beispiele für Essbares, dessen Anblick sensiblen Besuchern den Magen umdrehen dürfte, sind ausgestellt.

Passenderweise gibt es am Eingang statt eines Tickets Spucktüten, obwohl kein Besucher die Ausstellungsstücke schlucken muss. Für drei Euro kann er allerdings einige probieren, von der stark gesalzenen Lakritze aus Finnland bis zu vergorenem Haifischfleisch. Vor allem aber soll er zum Nachdenken über die eigenen Prägungen angeregt werden. „Was am Ekel fasziniert, ist, dass er kulturell bestimmt wird: Dinge, mit denen Sie aufgewachsen sind, werden Sie köstlich finden, während Sie etwas Fremdes, Verrücktes oder Andersartiges eher als ekelhaft wahrnehmen“, erklärte der Kurator der Ausstellung, Samuel West.

Diese stammt aus dem gleichnamigen „Disgusting Food Museum“, das vor einem Jahr im schwedischen Malmö eröffnet wurde und seither 40 000 Besucher anzog. Laut Museumsdirektor Andreas Ahrens will es „die Menschen zu der Erkenntnis bewegen, dass wir uns neuen Proteinquellen zuwenden müssen, die besser für die Umwelt sind“. Als Beispiele nennt er Insekten und künstliches Fleisch.

Ort für Debatten

In Nantes steht die Ausstellung, die noch bis 3. November gezeigt wird, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Die Tische von Nantes“ („Les Tables de Nantes“). Diese will sensibilisieren in Zeiten, in denen die Landwirte immer weniger von ihrem Beruf leben können und sich viele Konsumenten immer mehr für das interessieren, was sie täglich essen. Die Veranstaltung in der westfranzösischen Stadt, die sich durch ihren Hafen auf eine Tradition beim Handel mit Nahrungsmitteln sowie deren Weiterverarbeitung stützt, möchte daher ein Ort sein, der zu Debatten anregt. Die Ausstellung zieht im Anschluss weiter nach Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada. (mz)

Das sind die Zutaten für eine chinesische Schildkrötensuppe.
Das sind die Zutaten für eine chinesische Schildkrötensuppe.
AFP
Gebratene Tarantel, wird zum Beispiel in Kambodscha angeboten.
Gebratene Tarantel, wird zum Beispiel in Kambodscha angeboten.
AFP