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Gesellschaft Standortentscheidung für Halle: Katerstimmung in Brandenburg

Die Entscheidung für Halle als Standort des Zukunftszentrums Deutsche Einheit sorgt in Brandenburg für Enttäuschung, Kritik, aber auch Zuversicht. Bewerber Frankfurt/Oder will sich schnell aufrappeln und hat auch schon Pläne.

Von dpa 15.02.2023, 10:18
Manja Schüle (SPD) spricht.
Manja Schüle (SPD) spricht. Soeren Stache/dpa/Archivbild

Potsdam/Frankfurt - Nach der Juryentscheidung gegen Frankfurt (Oder) als Standort des Zukunftszentrums Deutsche Einheit macht sich in Brandenburg Enttäuschung breit, es gibt aber auch Zuspruch für den Sieger. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gratulierte Halle zur Standortentscheidung und zollte gleichzeitig Frankfurt (Oder) für seine Bewerbung Respekt. Wissenschafts- und Kulturministerin Manja Schüle (SPD) sieht die Oderstadt trotz der Entscheidung für die Stadt in Sachsen-Anhalt nicht als Verliererin. Auch aus dem Bundeswirtschaftsministerium wurden für die Stadt an der deutsch-polnischen Grenze Daumen gedrückt. Frankfurt (Oder) selbst sieht die Entscheidung als unverdiente Niederlage. Kritik kam von Bundespolitikern der Linken.

„Herzlichen Glückwunsch an Halle und unseren Nachbarn Sachsen-Anhalt zum Erfolg“, sagte Woidke am Mittwoch laut Mitteilung zum Votum der Jury. Frankfurt (Oder) habe sich mit einer „großartigen Kampagne“, um das Zentrum beworben. Bereits der Bewerbungsprozess habe viel Energie und einen starken Zusammenhalt erzeugt. „Das ist schon ein Wert an sich. Und er wird nachwirken für die Entwicklung Frankfurts“, zeigte sich Woidke überzeugt. Die Chancen dafür stünden gut, denn auch in Frankfurt nehme die wirtschaftliche Entwicklung deutlich Fahrt auf.

Ähnlich äußerte sich Schüle. Ihrer Ansicht nach hat Frankfurt (Oder) die Bewerbung auch ohne Sieg genützt. „Halle hat gewonnen. Aber Frankfurt (Oder) hat nicht verloren“, teilte sie am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur mit. Frankfurt habe durch die Bewerbung bundesweit enorm an Ansehen gewonnen. Sie gratulierte der Gewinnerstadt. „Aber als gebürtige Frankfurterin bin ich enttäuscht.“

Die grüne Landesvorsitzende Alexandra Pichl betonte: „Jetzt, da die Standortfrage geklärt ist, muss das Zentrum mit Leben gefüllt werden und der inhaltliche Aufbau beginnen.“ Wichtig sei, dass die teils sehr unterschiedlichen Perspektiven der ostdeutschen Bundesländer und Regionen einfließen könnten.

Halle an der Saale soll nach einer Jury-Entscheidung der Standort für das geplante Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation werden. Nach Angaben aus Frankfurt liegt die Oderstadt auf dem zweiten Platz und hatte sich zuletzt ein Rennen mit Halle geliefert. Halle setzte sich außerdem gegen Eisenach und Jena in Thüringen sowie gegen das Duo Leipzig und Plauen in Sachsen durch.

Der Auswahlprozess des Standorts zog sich über Monate hin. Die Jury hatte alle Bewerberstädte besucht und die jeweiligen Konzepte kritisch hinterfragt. Dem Gremium gehörten unter anderen auch die frühere Stasi-Beauftragte Marianne Birthler, der ehemalige Bundesminister Thomas de Maizière und Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck an.

Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), gratulierte auf Twitter Halle zum Zukunftszentrum. „Spannende Bewerbungen haben gezeigt, wie die Erfahrungen von Einheit und europäischer Transformation jeweils die ostdeutschen Orte prägen. Ich hatte Frankfurt beide Daumen gedrückt, schade“, schrieb Kellner. Die Bundesregierung will sich nach der Empfehlung der Jury richten.

Kritik an der Entscheidung kam von Linke-Bundespolitikern. „Das ist eine Entscheidung, die neue Enttäuschungen produzieren wird“, erklärte der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann am Mittwoch. „Jetzt haben wir viele Verlierer.“

Auch der Brandenburger Linke-Bundestagsabgeordnete Christian Görke kritisierte die Juryentscheidung. „Das ist eine fatale politische Entscheidung, die sich offenbar von der Lage der europäischen Doppelstadt an der deutsch-polnischen Grenze hat beeinflussen lassen“, sagte Görke der Deutschen Presse-Agentur.

Frankfurt (Oder) hält indes die Niederlage für unverdient. Mit der Orientierung der Stadt nach Ost- und Mitteleuropa, der Zusammenarbeit mit der im Bereich der Transformationswissenschaften hervorragend aufgestellten und vernetzten Europa-Universität Viadrina und einer großen Bürgerbeteiligung wäre die Oderstadt ein sehr guter Standort für das Zukunftszentrum gewesen, erklärte Oberbürgermeister René Wilke am Mittwoch. Auf Instagram hatte er sich am Dienstagabend enttäuscht gezeigt, aber auch gesagt: „Wir haben auch für diesen Fall einen Plan, den wir jetzt weiterverfolgen werden.“

Die Stadt will nun auf der für das Zukunftszentrum vorgesehen Fläche an der Stadtbrücke nach Polen eine „angemessene“ und „belebende“ Bebauung finden. „Dazu werden wir in Kürze mit veränderten Ideen und Ansätzen in die öffentliche und politische Diskussion eintreten.“