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Sprünge in den Tod Sprünge in den Tod: Der gefährliche Trend auf Mallorca

Von Ralph Schulze 12.09.2018, 10:00
Hotels auf Mallorca.
Hotels auf Mallorca. imago stock&people

Palma de Mallorca - „Das typische Opfer ist ein junger Mann, der mit ein paar Freunden nach Mallorca kommt“, erzählt der spanische Unfallchirurg Juan José Segura. „Sie haben Spaß, sie trinken, vielleicht ein bisschen zu viel, und sie machen riskante Sachen.“ Zum Beispiel klettern sie von einem Hotelbalkon zum anderen.

Oder sie versuchen, vom Zimmerbalkon in den oberen Stockwerken in den Pool zu springen. Mit dramatischen Folgen. Seit Jahresanfang starben schon neun Mallorca-Urlauber bei Stürzen oder Sprüngen vom Balkon – so viele wie noch nie.

Mann stürzt zwölf Etagen tief

Vorerst letztes Todesopfer ist ein Deutscher, der am Samstag im Urlaubsort Capdepera im Osten Mallorcas aus noch ungeklärter Ursache von seinem Hotelbalkon im dritten Stockwerk fiel. In diesem Falle war es kein junger Mann, sondern ein 45-Jähriger, dessen lebloser Körper am Morgen von der Ehefrau im Hotelhof entdeckt wurde.

Im August war ein 23-jähriger Deutscher an der Playa de Palma, mitten im „Ballermann“-Partyviertel, von seinem Balkon in der zwölften Etage gestürzt. Er war sofort tot. Am gleichen Tag kippte eine 18-jährige Urlauberin über das Geländer ihres Balkons in Palmanova im Inselwesten; sie überlebte schwer verletzt.

Briten zäheln zu den häufigsten Balkonopfern

Die meisten Balkonopfer sind Briten, die vorzugsweise in der Partyhochburg Magaluf Urlaub machen, wo der Alkohol besonders reichlich fließt. Aber auch Deutsche scheinen nicht immun gegen das „Balconing“ zu sein, wie dieses Phänomen von spanischen Medien getauft wurde. Jedes sechste Balkon-Opfer kommt nach der Statistik aus Deutschland. Insgesamt wurden dieses Jahr auf Mallorca schon wenigstens 18 Balconing-Unfälle gezählt.

Der Chirurg Segura hatte in den letzten Monaten etliche verletzte Balkonopfer auf seinem Operationstisch im Universitäts-Krankenhaus Son Espases in Palma. Durchweg Touristen, die sich bei Stürzen und Sprüngen in die Tiefe kritische Wirbelsäulen- oder Kopfverletzungen zuzogen. Um weiteren Tragödien vorzubeugen, macht Segura dieses Jahr bei einer Aufklärungskampagne der britischen Regierung mit. „Das Problem ist weniger, dass du auf diese Weise deinen Urlaub ruinierst“, appelliert der 32-jährige Chirurg in einem Video an die Vernunft der Mallorca-Besucher. „Das Problem ist, dass du dein Leben ruinierst.“

Kletterei als Mutprobe

Fast durchweg seien Alkohol oder Drogen im Spiel, weiß Segura, der die Unglücksgeschichten zusammen mit seinen Kollegen seit Jahren analysiert. „In 95 Prozent der Fälle hatten die Patienten große Mengen Alkohol getrunken, und 30 Prozent hatten zusätzlich Drogen genommen.“ In der Regel seien es Unfälle, bei denen die Betreffenden abstürzen, wenn sie über den Balkon zum Nachbarzimmer der Freunde klettern. Oder weil sie einfach volltrunken übers Geländer kippen. In etwa 15 Prozent der Fälle handele es sich jedoch um Mutproben, weil die jungen Leute versucht hätten, vom Zimmerbalkon ins Schwimmbecken des Hotels zu springen.

Die spanischen Behörden versuchen, die Balkonkletterer mit hohen Strafen abzuschrecken. Wer zum Beispiel in der britischen Urlaubshochburg Magaluf erwischt wird, kann mit 600 bis 1 500 Euro Geldbuße belegt werden. Zudem droht der Hotelverweis. Anderorts wird ähnlich hart durchgegriffen. Manche Hoteliers haben inzwischen die Geländer erhöht, um Stürze zu vermeiden. Andere gingen dazu über, feierfreudige Cliquen junger Männer vorzugsweise im Erdgeschoss einzuquartieren.

Fast immer ziehen die Stürze lebensbedrohliche Verletzungen mit sich. „Ich hätte tot sein können“, berichtet Jake Evans. Der Brite kippte vor einigen Jahren vom Balkon. Er fiel sieben Stockwerke tief. Sein Sturz wurde von einer Sonnenliege gebremst. „Das rettete wahrscheinlich mein Leben.“ Er erlitt einen Schädelbruch. In einem Video des britischen Außenministeriums bekennt er: „Der Unfall veränderte mein Leben.“ Jake warnt seine Altersgenossen: „Seid vorsichtig.“ (mz)