So arbeiten Berlins kriminelle Araber-Clans

Gewalttätige Mitglieder von arabischen Großfamilien haben in Berlin ein Klima der Angst geschaffen. Das sagte vor einigen Tagen Justizsenator Thomas Heilmann (CDU). Betroffen davon seien Neukölln, Wedding, Moabit, Kreuzberg und Charlottenburg. Gegen die Parallelgesellschaft will er vorgehen, in der die Clans ihre eigenen Regeln aufstellen und ihnen die deutschen Pflichten egal sind. Bis Ende April, so Heilmann, werde der Senat ein Konzept zur organisierten Kriminalität und deren Bekämpfung vorlegen. Darin will er sich äußern, wie die Strafverfolgung weiter gestärkt werden soll. „Die Clans tanzen dem Staat auf der Nase herum. Das können wir uns nicht gefallen lassen“, sagte er.
Dirk Jacob, Dezernatsleiter im Landeskriminalamt kennt die Großfamilien in Berlin. Er spricht von 18 bis 20 Familien, mit jeweils 50 bis 500 Mitgliedern. Die Angehörigen seien nicht alle kriminell. Darauf lege er Wert, betont der Kriminaldirektor. Insgesamt schätzt die Polizei, dass etwa 9 000 Mitglieder in unterschiedlichen Verwandtschaftsverhältnissen zu den sogenannten Großfamilien gehören, die aus der Türkei, dem Libanon und mittlerweile auch aus Syrien eingereist sind. Es gebe Mitglieder, die unterschiedliche Nachnamen haben und nicht sofort einer bestimmten Familie zuzuordnen sind, sagt Kriminaldirektor Jacob.
Alles, was Geld bringt
Die Großfamilien haben in den vergangenen Jahren Millionen Euro verdient, schätzen Experten. Vor allem der Drogenhandel und Schutzgeld waren und sind bis heute eine der Haupteinnahmequellen. Ansonsten widmen sie sich allem, was Geld bringt. „Es gibt keine Familienschwerpunkte und keine territoriale Aufteilung“, sagt Dirk Jacob. Die Kriminellen seien nicht auf bestimmte Deliktbereiche spezialisiert. Dort, wo die Familien wohnen, dort agieren sie auch. Allerdings haben die Fahnder mitbekommen, dass bestimmte Einbrüche die gleichen Handschriften tragen. „Die fallen uns schon auf“, so der Chefermittler. Über Details wolle er aber nicht reden, betont er. Fest steht, dass die intelligenten Clan-Chefs begriffen haben, dass ihnen Öffentlichkeit schadet. Ihnen passen Razzien nicht, für die jüngere Familienmitglieder aus Imagegründen sorgen. „Im Verborgenen laufen die Geschäfte ruhiger“, sagen erfahrene Familienmitglieder.
Seit Kurzem haben die Clans einen neuen Dreh gefunden, das zuvor illegal verdiente Geld legal wieder anzulegen und somit zu waschen. Die Zeiten, in denen Zehntausende Euro zu Hause gebunkert wurden, sind vorbei, sagt der Kriminaldirektor. Heute wird aus dem illegalen Gewinn legaler Profit. Die Familien betreiben miese Geschäfte mit Flüchtlingen. So suchen sie sich zunächst erfolgreiche Mittelsmänner aus westlichen Nachbarländern, die anschließend in Deutschland in Immobilien investieren. Diese Geschäftsleute werden für ihre Dienste in bar bezahlt. Es soll keine Spur zu ihnen und zu ihren Geldgebern führen. Das Geld für die Immobilienkäufe stammt aus illegalen Geschäften der Großfamilien. Polizisten wissen, dass Einnahmen aus Prostitution, Drogenhandel und erpresstes Schutzgeld somit legal angelegt wird.
Das heißt, die „Strohmänner“ lassen Häuser errichten, oder kaufen Gebäude und sanieren sie dann, um daraus Flüchtlingsunterkünfte zu schaffen. Als Eigentümer treten die Mittelsmänner auf und versuchen mit allen Mitteln, ihre Ziele durchzusetzen. Die Ermittler aus dem Landeskriminalamt kennen Beispiele aus Berlin, in denen Vormieter, egal, ob sie alte Mietverträge hatten oder nicht, auf üble Art und Weise aus ihren Wohnungen gedrängt wurden. Wer nicht freiwillig gehen wollte, wurde dazu gezwungen. Ist ein Haus entmietet, wird es umgebaut.
Am Ende ist alles legal
Die Zimmer werden so vergrößert, dass sie in der spartanischen Ausstattung denen eines Heimes ähneln. Den Besitzern gehe es darum, so viel Mieter wie möglich in einer Wohnung unterzubringen, sagt Dezernatsleiter Jacob. Die Gewinnspanne ist riesig, wenn man bedenkt, dass ein Flüchtling pro Nacht bis 50 Euro einbringt. Interessenten werden in Flüchtlingsunterkünften geworben. Dort werden Wohnungen für eine Miete um die 3 000 Euro im Monat angeboten. Gleichermaßen dient das Engagement in der Immobilienbranche auch dazu, kostengünstigen Wohnraum für Familienangehörige zu schaffen.
Einen Überfall auf Europas größtes Pokerturnier hatte es bis zum 6. März 2010 in Berlin noch nicht gegeben. Es war der vorletzte Tag des einwöchigen Wettkampfes im Hotel Hyatt am Potsdamer Platz. Vier bewaffnete Männer stürmten durch den Haupteingang in das Hotel – Angehörige einer namhaften Großfamilie. Sie stopften Bargeld, das offen in Kassen lag, in ihre Taschen. Schnell wurden sie von den wenigen Wachleuten in ein Handgemenge verwickelt, ein junger Mann entriss ihnen einen Teil der Beute. Die Räuber entkamen unerkannt mit 242 000 Euro. Sie hinterließen aber viele Spuren und wurden von Kameras gefilmt. Neun Tage später meldete sich ein Zeuge und verriet die Namen der Täter. Außerdem bot er sich an, seinen Teil der Beute zurückzugeben. Doch dazu kam es nicht. 24 Stunden danach fasste die Polizei den zweiten Räuber. 14 Tage später stellten sich zwei weitere am Flughafen Tegel. Sie waren zwischenzeitlich nach Libanon und in die Türkei gereist. Bis Ende Mai wurden auch die beiden Organisatoren des Coups ins Untersuchungsgefängnis eingeliefert. Die Drahtzieher wurden ein Jahr später zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Beute ist bis heute verschwunden.
Der Bruch in das KaDeWe vor sieben Jahren war einer der spektakulärsten Einbrüche in den vergangenen 50 Jahren, der von Mitgliedern einer Großfamilie in Berlin begangen worden ist. Am 25. Januar 2009 brachen zwei Männer in das Kaufhaus ein und stahlen Uhren und Schmuck im Wert von mehr als sieben Millionen Euro. Sie hatten sich mit einer Strickleiter aus der 1. Etage in das Erdgeschoss abgeseilt. Aus Vitrinen des Juweliers Christ nahmen sie in der Nacht zum Sonntag Uhren und Schmuck heraus und verpackten die Beute. Weil es so einfach war, stiegen die Täter eine Nacht später erneut in das Gebäude ein. Sie holten den Rest der Beute. In der Kriminaltechnik stellten Spezialisten später in einem zurückgelassenen Handschuh DNA-Spuren sicher. Sie führten zu den Zwillingen Abbas und Hassan O. Die libanesischen Geschwister wurden festgenommen. Doch einige Tage später hob ein Richter die Haftbefehle wieder auf. Zwar konnten die DNA-Spuren den beiden Geschwister zugeordnet werden, aber die Brüder sind eineiige Zwillinge. Ihre DNA ist identisch, weshalb der richtige Täter nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann. Die Männer bleiben auf freiem Fuß, die Millionen-Beute ist bis zum heutigen Tag verschwunden.
Als Beweis für die außergewöhnliche Gewalt, die von kriminellen Mitgliedern von Großfamilien ausgeht, ist nach Aussagen von Polizisten ein Unfall am Potsdamer Platz im Oktober 2008. Der 77 Jahre alte Johannes K. aus Zwickau in Sachsen überquert die Potsdamer Straße. Zur selben Zeit rast ein 6er BMW auf ihn zu. Das Auto fährt in Richtung Leipziger Straße. Gegenüber des Sony Centers prallt der Wagen gegen den Senior. Er schleudert etliche Meter durch die Luft, stürzt auf die Straße und ist auf der Stelle tot. Der Fahrer sowie sein Bruder, der mit im Auto sitzt, fahren ohne anzuhalten weiter. Der Halter des Autos hatte seinen Wagen an die Brüder verliehen. DNA-Spuren beweisen, dass nur die beiden Brüder zum Unfallzeitpunkt im Auto saßen. Fahrer und Beifahrer sind der Polizei wegen Gewaltdelikten als Intensivtäter bekannt. Die Beweise gegen die 19 und 21 Jahre alten Brüder reichen letztendlich nicht aus, um sie vor Gericht zu stellen. Im selben Jahr, kurz vor Heiligabend prallt in Blankenfelde (Teltow-Fläming) ein ebenfalls geliehener Mercedes Benz gegen einen Straßenbaum. Der Fahrer war zu schnell. Dabei versterben zwei Männer. Es sind die Todesfahrer vom Potsdamer Platz.
Dabei kommen in einer Drei-Zimmer-Wohnung bis zu zehn Erwachsene und Kinder unter. Da bleiben häufig mehr als 15 000 Euro im Monat übrig, sagt Dirk Jacob. Am Ende ein scheinbar legales Geschäft, hinter das man nur schwer kommt und dessen illegaler Ursprung nur schwer zu beweisen ist. Zwar gebe es Kooperationen mit den zuständigen Bezirksämtern, aber ein gesetzloses Handeln sei den Tätern nur schwer nachzuweisen, hieß es im Bezirksamt Reinickendorf. Laut Kriminaldirektor Jacob gibt es nur eine Möglichkeit, die kriminellen Machenschaften zu unterbinden; wenn die Verdächtigen nachweisen müssten, woher das investierte Geld stammt. „Dann wären wir in unseren Ermittlungen gegen kriminelle Clans schon ein bedeutendes Stück weiter“, sagt er.
Neben Berlin gibt es weitere drei Zentren, in denen arabische Großfamilien agieren. Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Ostdeutsche Länder gehören nicht dazu. Das liege daran, dass diese Territorien von den Familien häufig als rassistisch und fremdenfeindlich eingeschätzt werden, sagt Dirk Jacob. Arabische Clans sind so stark vernetzt, dass sie zu jeder Zeit zu jeder Hilfe bereit sind. Als nach einem Unfall auf der A2 bei Hannover im vergangenen Jahr zwei Brüder einer Familie ums Leben kamen, reisten mehr als 3 000 Angehörige und Bekannte nach Berlin. Bei der Beerdigung legten sie den Columbiadamm lahm. Um die Verkehrsregeln scherten sie sich nicht.