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Sie spielen "Minecraft" oder "Fortnite" Senioren zocken: Renter spielen Computerspiele und werden zum Hit bei Instagram und Youtube

29.01.2019, 11:00
Evelyn Gundlach (r) und Ursula Cezanne (l) an der Nintendo Switch.
Evelyn Gundlach (r) und Ursula Cezanne (l) an der Nintendo Switch. dpa

Berlin - Wenn Evelyn Gundlach (87) und Ursula Cezanne (80) unterwegs sind, kann es passieren, dass Schulklassen ein Selfie wollen. Die beiden machen beim Youtube-Kanal „Senioren zocken“ mit. Dort gehören sie zu einer Rentnertruppe, die Computerspiele testet. Und die Clips der zockenden Senioren räumen ab. Der Kanal hat mittlerweile 400 000 Abonnenten.

Die rüstigen Rentner spielen das, worüber die Enkel-Generation redet: „Grand Theft Auto V“, „Minecraft“ oder „Fortnite“. Das Projekt hat die Rentner zu kleinen Stars gemacht, bis zum Digital-Preis der Goldenen Kamera. Wildfremde Leute wollen sie drücken, erzählen sie. Es gibt Autogramm-Karten und T-Shirts.

Die Älteste bei „Senioren zocken“ ist 90 Jahre alt. 

Cezanne: „Es ist wie ein Rausch“

Evelyn Gundlach und Ursula Cezanne sind Freundinnen. Sie kennen sich von einem Opern-Casting, als Komparsinnen haben sie Erfahrung mit Rampenlicht. Sie sind hörbar Berliner Pflanzen, Typ Rentnerin mit vollem Kalender, viel unterwegs. Für „Senioren zocken“ bekommen sie eine Aufwandsentschädigung. 

Die Herausforderung bei den Computerspielen: Wie viele aus ihrer Generation haben die beiden in der Schule nur wenig Englisch gelernt und kommen nicht so schnell mit. Gleichzeitig auf den Bildschirm zu gucken und die Knöpfe zu beherrschen – das ist schwer, macht ihnen aber Spaß. „Es ist wie ein Rausch“, sagt Cezanne. 

Nur Kriegs- und Ballerspiele mögen sie nicht

„Ich spiele liebend gerne Mario Kart“, sagt Gundlach. Cezanne mochte „Forza Horizon 4“. Da konnte sie so schön mit dem Auto durch die Landschaft fahren und sich frei fühlen.

Nur Kriegs- und Ballerspiele mögen sie gar nicht. „Mit sowas spielt man nicht“, sagt Gundlach. Da sei sie radikal. Cezanne erzählt, sie habe im Luftschutzbunker gesessen und viel Angst. Aber die wolle sie überwinden und diese Spiele testen, damit die Jugendlichen ihre Meinung dazu hören.

Die Produzenten sind Joschka und Sebastjan, zwei Medienschaffende, die als Macher hinter den Kulissen bleiben wollen. Die Spiele für „Senioren zocken“ kaufen sie selbst, erzählt Sebastjan. 120 Videos haben sie bereits gedreht.

Der Kanal trägt sich den Machern zufolge dank Werbung und wird von anderen Projekten querfinanziert. In den USA gibt es einen ähnlichen Kanal schon länger („Elders React“). 

Uschi spielt „Red Dead Redemption 2“

Evelyn Gundlach bekommt bei den Dreharbeiten eine Wärmflasche gebracht, damit wärmt sie sich die Füße. Heute geht es in dem Studio, das in einer Berliner Wohnung aufgebaut ist, um „Red Dead Redemption 2“. Das vorzulesen, ist für Ursula Cezanne die erste Herausforderung. Sie sitzt mit Kopfhörern und Bedienung vor einer grünen Wand. Joschka erklärt das Spiel: „Uschi ist im Wilden Westen.“ 

Als Westernheld Arthur fährt Uschi mit der Kutsche durch den Wald und landet prompt im Gestrüpp. Sie braucht ein paar Anläufe, bis sie es in den Western-Saloon geschafft hat. Ihre Wangen glühen. „Ich bin fix und alle schon wieder.“ Sie fand das Spiel schwer, aber schön, sie mochte die Landschaft. Geschossen hat sie lieber nicht.

„Das ist ein Altenheim-Vibrator!“

Als Ursula Cezanne danach mit ihrer Freundin gemeinsam ein anderes Spiel spielt, kriegen sich die beiden kaum ein. Das Gerät, mit dem man mit Bewegungen in der Luft Kühe melken oder sich rasieren kann, brummt in der Hand. „Das ist ein Altenheim-Vibrator!“ Großes Gegacker. Wenn die beiden gemeinsam nach Hause fahren, haben sie wieder eine Menge zu erzählen. Ob es Videospiele in Altenheimen geben sollte? Unbedingt, finden sie. „Genau das ist es!“ 

Tatsächlich tut sich in Sachen Computer und moderne Technik im Alter gerade einiges. In Norddeutschland gab es schon ein Modellprojekt in Pflegeheimen, mit Spielen zum Fithalten für Ältere. Die Ergebnisse des Hamburger Projekts mit der „Memorebox“ seien vielversprechend gewesen, berichtet die Krankenkasse Barmer. „Es soll nun in etwa 100 weiteren Pflegeeinrichtungen zum Einsatz kommen.“

Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wird untersucht, ob ein spezielles Postboten-Spiel bei einer Vorstufe der Demenz helfen kann. (dpa)