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Scratching Scratching: Jugendliche ritzen ihre Namenskürzel ein

20.11.2003, 09:35
Ein Mann liest am Freitag in einer U-Bahn mit zerkratzten Fensterscheiben in Düsseldorf Zeitung (Archivfoto vom 07.11.2003) . "Scratching" heißt das Phänomen, mit dem vor allem Verkehrsbetriebe zunehmend zu kämpfen haben. Mit Nägeln, Schlüsseln, Schraubenziehern oder Industriediamanten ritzen Jugendliche ihre Namenskürzel oder andere Zeichen in Scheiben ein. (Foto: dpa)
Ein Mann liest am Freitag in einer U-Bahn mit zerkratzten Fensterscheiben in Düsseldorf Zeitung (Archivfoto vom 07.11.2003) . "Scratching" heißt das Phänomen, mit dem vor allem Verkehrsbetriebe zunehmend zu kämpfen haben. Mit Nägeln, Schlüsseln, Schraubenziehern oder Industriediamanten ritzen Jugendliche ihre Namenskürzel oder andere Zeichen in Scheiben ein. (Foto: dpa) dpa

Düsseldorf/dpa. - Meist sind es nur wenige Buchstaben. «MAG», «Al» oder «Stinc». Sie stehen auf Zügen, Bussen und Bahnen - manchmal auch auf Schaufenstern. Mit Nägeln, Schlüsseln, Schraubenziehern oder Industriediamanten ritzen Jugendliche ihre Namenskürzel ein - Scheibe für Scheibe. Scratching heißt das Phänomen, mit dem vor allem Verkehrsbetriebe zunehmend zu kämpfen haben. «Jeder Zug fährt mittlerweile mit zerkratzten Scheiben durch die Gegend», sagt Manfred Pietschmann, Sprecher der Deutschen Bahn AG in Düsseldorf. «Das ist ein Riesenproblem. Wir stehen dem machtlos gegenüber.»

Bundesweit werden die Kratzereien bei der Deutschen Bahn unter Vandalismus registriert - mit Kosten von 6,3 Millionen Euro im Jahr. «Es hat erheblich zugenommen», sagt Sicherheitschef Walter Kohlenbach von den Kölner Verkehrsbetrieben.

Nicht nur Bus- und Bahnbetreiber leiden unter Scratching- Angriffen: In Mönchengladbach zerstörten unbekannte Kratzer in einer einzigen Nacht Schaufenster von 30 Geschäften und verursachten mehrere 10 000 Euro Schaden. In Hamburg wurden das Logo eines 19- Jährigen 23 Mal gezählt und 83 000 Euro Schaden errechnet. In Kiel waren es bei einem gleichaltrigen Scratcher weit über 100 000 Euro.

«Das Scratchen ist eine Reaktion darauf, dass Graffiti immer wieder entfernt werden», sagt Jugendszene-Forscherin Daniela Eichholz von der Universität Dortmund. Seit viele Wände mit chemikalischen Schutzfilmen gegen die Farbattacken präpariert werden, nimmt das Gekratze zu. Die meisten Scratcher kämen aus der Graffiti-Szene. Ihr Treiben sei auch ein Abwehrmechanismus gegen konkurrierende Sprayer-Gruppen. Eingeritzte Signaturen und Namenskürzel, die wie bei den Sprayern «tags» heißen, könnten nicht so einfach übersprüht werden.

«Die Jugendlichen verstehen sich wie die Sprayer als Künstler und wollen in der Szene bekannt werden», sagt Eichholz. Züge und Busse seien für diese Art der Werbung «ideale Angriffsziele, weil die mit den Namen durch die Gegend fahren». Sachbeschädigung werde dabei billigend in Kauf genommen, sei aber nicht das Ziel, denn es gehe um «ästhetischen Ausdruck». «Die scratchen nicht, weil sie blindwütig Scheiben zerstören wollen, sondern um cool zu sein», erklärt die Szeneforscherin.

Die Verkehrsbetriebe haben angesichts der hohen Schadenssummen kein Verständnis für diese Form jugendlicher Selbstdarstellung. «Das ist doch nur hirnloses Gekratze», sagt ein Sprecher der Essener Verkehrs-AG. Mit Jugendkultur habe das nichts zu tun. Auch Bahn- Sprecher Pietschmann sieht im Gekratze eher einen Werteverfall als kulturellen Ausdruck.

«Sich auf die Lauer zu legen wie das bei Sprayern gemacht wird, bringt nichts», sagt ein Sprecher der Düsseldorfer Rheinbahn. Scratching passiere viel heimlicher. Einige Unternehmen versuchten, mit mehr Wachleuten und Videokameras gegen die Kratzer vorzugehen. Die Kölner und Berliner Verkehrsbetriebe setzen auf Anti-Scratching- Folien, die auf die Scheiben geklebt werden und das Glas schützen.

Bahn-Sprecher Pietschmann hofft auf eine schärfere «soziale Kontrolle» durch die Fahrgäste: «Die müssen sich verantwortlich fühlen und eingreifen, wenn einer an einer Scheibe rumkratzt.»