Kinderschutz Schulen sollen früher Schutzkonzepte auf den Tisch legen
Nach mehreren Missbrauchsfällen an Schulen fordert das Bildungsministerium mehr Tempo bei Präventionskonzepten. Wie gut sind die Schulen vorbereitet?

Erfurt - Als Reaktion auf Fälle von Missbrauch an Thüringer Schulen sollen diese früher als ursprünglich vom Bildungsministerium verlangt sogenannte Schutzkonzepte vorlegen. Eigentlich war vorgesehen, dass die Schulen bis Sommer 2027 schriftlich Maßnahmen zur Prävention etwa von sexualisierter Gewalt an den jeweiligen Einrichtungen vorlegen sollen. Nun sei die Frist auf Ende 2026 vorgezogen worden, sagte Bildungsminister Christian Tischner (CDU) im Gespräch mit Pressevertretern.
Hunderte Schulen arbeiten noch an Konzept
Von 646 dazu befragten Schulen habe bereits ein Viertel entsprechende Konzepte erarbeitet. „Dreiviertel sind intensiv dabei“, sagte Tischner. Die Konzepte sollten keine „Bürokratiemonster“ sein, sondern Haltung schärfen. Zudem sollten die Papiere konstant fortgeschrieben und den jeweiligen Gegebenheiten der Schulen angepasst werden. Die vorverlegte Frist bedeute zwar Mehrarbeit für die Schulen. Die Konzepte seien aber hilfreich.
Berichte über aktuelle Justizfälle
Ende Oktober hatte das Landgericht Erfurt einen Gymnasiallehrer wegen des jahrelangen sexuellen Missbrauchs einer Schülerin zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Ein Vertrauenslehrer an derselben Schule wurde inzwischen wegen des sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung anderer Schülerinnen angeklagt. Sein Prozess soll noch im Dezember beginnen. Der Schulleiter des Erfurter Gymnasiums räumt nach dem Missbrauchsskandal zum 1. Dezember seinen Posten.
Ein anderer Lehrer war wegen sexuellen Missbrauchs von minderjährigen Schülerinnen im November am Landgericht Meiningen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Anfang November wurde an einem Gymnasium im Saale-Orla-Kreis ein Lehrer während des Schulbetriebs verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen vor.
Brief an Schulleitungen
Mit Blick auch auf die Berichterstattung über diese Fälle hat sich Tischner zudem in einem Brief an alle Schulleitungen gewandt. „Jeder einzelne Fall zeigt, wie verletzlich Kinder und Jugendliche sind – und wie wichtig es ist, dass wir unserer Schutzstrukturen konsequent weiterentwickeln und konsequent anwenden“, schreibt er darin.
Tischner verweist in dem Brief auch auf bestehende Strukturen: Fortbildungsangebote zum sexualisierter Gewalt sollten genutzt werden, Beratungslehrer und der schulpsychologische Dienst an den Schulämtern berieten zum Umgang mit Vorkommnissen, bei Verdachtsfällen und zur Umsetzung von Präventionsmaßnahmen. Schulleitungen seien zum Handeln verpflichtet, wenn Verdachtsfälle an Schulen bekannt würden.
„Jedem Gerücht in gebotener Form nachgehen“
„Man darf nicht wegschauen“, sagte Tischner im Pressegespräch. Jedem Gerücht sollte in der gebotenen Form nachgegangen werden, ohne jemanden vorzuverurteilen. Staatliche Schulen sind verpflichtet besondere Vorkommnisse – darunter auch Verdachtsfälle von Missbrauch – über ein spezielles System zu melden. Bildungsstaatssekretär Bernd Uwe Althaus sagte, dass das System gut funktioniere und schnelles Reagieren ermögliche.
Gleichzeitig erklärte Tischner, dass auch Lehrer geschützt werden müssten. „Wir haben Meldungen, wo auch haltlose Vorwürfe gegen Lehrer gebracht werden.“ Wichtig sei ein gutes Miteinander und Vertrauen an den Schulen und untereinander. Schüler wie Lehrer sollten wissen, wo sie sich hinwenden können, wenn es Probleme gibt.
In den vergangenen fünf Jahren hat das Bildungsministerium 52 besondere Vorkommnisse an Schulen erfasst, die als von Schulpersonal ausgeübte Sexualdelikt kategorisiert wurden. Von diesen Meldungen erhärtete sich den Ministeriumsangaben nach der Verdacht in 25 Fällen. Von diesen 25 Fällen wiederum wurden elf Fälle als sexueller Missbrauch gewertet. In den anderen Fällen sei es etwa um sexuelle Belästigung oder die Verbreitung von pornografischem Material gegangen.