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S-Bahn Berlin S-Bahn Berlin: Notfahrplan wird mit Fassung getragen

20.07.2009, 13:59
Blick auf einen mit Gitter abgesperrten S-Bahn-Eingang im Bahnhof Friedrichstraße in Berlin (FOTO: DPA)
Blick auf einen mit Gitter abgesperrten S-Bahn-Eingang im Bahnhof Friedrichstraße in Berlin (FOTO: DPA) dpa

Berlin/dpa. - Sie quetschten sich in Regionalzüge, stiegen auch aufs Rad oder fuhren mit dem Auto, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Die S-Bahn hatte nach massiven Einschränkungen der letzten Tage Glück im Unglück: «Die Ferien sind uns zu Hilfe gekommen», sagte ein Bahnsprecher. Es seien weniger Menschen unterwegs als sonst. Zwei Drittel aller S-Bahnen mussten wegen technischer Überprüfungen von der Schiene geholt werden.

Seit Montag ist der S-Bahn-Verkehr nochmals reduziert. Nur nochein Drittel der S-Bahnen fährt. Einschränkungen hatten viele Berliner schon in den vergangenen Tagen getroffen. Das Eisenbahn-Bundesamt hatte die Sicherheits-Überprüfungen angeordnet, nachdem Anfang Mai ein Zug wegen eines Radbruchs in Kaulsdorf entgleist war. Im Schnitt nutzen 1,3 Millionen Fahrgäste an einem Werktag die S-Bahn.

Auf der zentralen Ost-West-Verbindung über die Stadtbahn fahrenseit Montag zwischen Ostbahnhof und Bahnhof Zoologischer Garten keineS-Bahnen mehr. Als Ersatz sind sieben Regionalzüge pro Stunde inbeide Richtungen unterwegs. Am Bahnhof Alexanderplatz versperrtenrot-weiße Bänder den Zugang zu den Rolltreppen auf den S-Bahnsteig.Dort war das gläserne Aufsichtshäuschen verwaist.

Aufgestellte Tafeln verwiesen auf die Regionalzüge amNachbarbahnsteig. Am Morgen waren die doppelstöckigen Bahnenproppevoll, selbst auf den Treppen in den Wagen kauerten Reisende.Hinzu kamen dicke Rucksäcke und Fahrräder - trotzdem herrschte fastgespenstische Ruhe. Voraussichtlich bis zum 9. August soll derNotfahrplan gelten. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD)hatte die Berliner zu Solidarität und Rücksichtnahme aufgerufen.

Am Bahnhof Friedrichstraße sagte der Mitarbeiter einerSicherheitsfirma mit leuchtend oranger Weste: «Im Prinzip läuftalles, es sind nur ganz wenige Leute nervös.» Er steht für Fragen vonFahrgästen bereit. In einer Bäckerei am S-Bahnhof Tiergarten, der nunabgeschnitten ist, beklagte der Filialleiter: «Wir haben heute schon75 Prozent weniger Umsatz. Wenn das so weitergeht, machen wir jedenTag Verlust von bis zu 1000 Euro - wir leben von den Bahnkunden.»

Bei der S-Bahn, die zur Deutschen Bahn gehört, sagte ein Sprecher,in den ersten beiden Stunden nach Betriebsbeginn bis etwa 6.00 Uhrhabe es Probleme gegeben. Dann habe sich der Notplan eingespielt.«Wir sind ganz zufrieden», so der Sprecher.

BVG und Züge aus fünf Bundesländern helfen im S-Bahn-Chaos

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) helfen der S-Bahn. 40 Bussebringen Fahrgäste zu den Bahnhöfen, an denen die Regionalbahnenhalten. Die BVG hat ihren Ferienplan abgesetzt und fährt mit «allem,was fahren kann», hieß es. Auch U-Bahnen und Straßenbahnen haben mehrWagen als sonst. Auch die befürchteten Staus auf der Stadtautobahnblieben nach Angaben des Verkehrswarnlagedienstes aus.

In ihrer Notlage hat die Bahn Verstärkung aus fünf anderenBundesländern erhalten. «Vier S-Bahnen aus München und Stuttgartfahren seit Montag auf der Nord-Süd-Strecke über Hauptbahnhofzwischen Gesundbrunnen und Südkreuz, um den Pendelverkehr zuentlasten», sagte ein Bahnsprecher. Außerdem seien Regionalzüge ausSchleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und aus Nordrhein-Westfalen im Einsatz. Insgesamt sollen seinen Angaben zufolge neunZüge helfen, die Folgen des Ausfalls vieler Berliner S-Bahnzügeaufzufangen.

Derartige Hilfe für die Hauptstadt hatte es bereits zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gegeben. «Auch damals waren bereits S-Bahnenaus Stuttgart und München im Einsatz», sagte der Sprecher. Sie fahrenaber nicht auf S-Bahngleisen, sondern auf normalenOberleitungsstrecken. In vielen dieser Züge auf der Nord-Süd-Streckeblieben am Montag aber noch zahlreiche Plätze leer. Augenscheinlichwissen viele Berliner nichts von dieser extra eingerichtetenVerbindung, die vor allem Fernreisende vom und zum Hauptbahnhofbringen soll.

Radler bestehen auf Radmitnahme in Bahnen

Trotz oftmals überfüllter Züge wollen organisierte Radfahrer ihreRäder auch weiterhin in die Berliner S-Bahn mitnehmen. Sie müsstenauch während der S-Bahn-Probleme mitgenommen werden, wenn dieKapazitäten dies zuließen, sagte die Landesvorsitzende desRadlerclubs ADFC, Sarah Stark, am Montag. Sollte es beim generellenVerbot der Fahrradmitnahme bleiben, müssten die Fahrradmonatskartenerstattet werden. Die S-Bahn hatte in ihrer Kundenzeitschrift«punkt3» mitgeteilt, dass die Fahrradmitnahme in den EntlastungszügenRE 7, RB 14, RE 1 und RE 6 sowie im gesamten S-Bahn-Netz und in denErsatzverkehren derzeit nicht möglich sei.

Auch U-Bahnen müssen in die Werkstatt

Jetzt müssen auch U-Bahnen in die Werkstatt. An den Wagen derBaureihe HK habe es Probleme mit den Radsatzlagern gegeben, sagteBVG-Chef Andreas Sturmowski der «Berliner Zeitung» (Montag). Zudemsei bei diesen U-Bahnen die Motoraufhängung nicht so stabil wieerforderlich. Es sei in Einzelfällen zu Rauchentwicklung unter demWagenboden gekommen. Mit dem Hersteller Bombardier Transportation seivereinbart worden, dass die Radsatzlager ausgetauscht werden,voraussichtlich von Oktober an. Dies werde den Normalbetrieb der U-Bahn nicht beeinträchtigen.

Autor: Harald Rohde, dpa