Prozess in Berlin Prozess in Berlin: Charité-Krankenschwester gesteht Tötung von Patienten

Berlin/dpa. - Sie batdie Angehörigen um Vergebung. Sie habe letztlich zum Wohl und imWillen der Patienten gehandelt, betonte die 54-jährige Angeklagte amMittwoch vor dem Berliner Landgericht. «Ich bedaure, dass ich mitmeiner Hand in das Schicksal von Menschen eingegriffen habe. Ich weißim Nachhinein, dass das nicht richtig war», erklärte die Schwester.Personal der Klinik räumte ein, trotz Verdachts zu lange geschwiegenzu haben. Bei einer Verurteilung wegen Mordes droht der Angeklagtenlebenslange Haft.
Die Staatsanwaltschaft legt der Frau sechs Morde aus Heimtücke undniederen Beweggründen sowie zwei Mordversuche an Europas größtemUniversitätsklinikum zur Last. Ankläger Thorsten Neudeck sagte, dieSchwester habe sich «aus Machtwillen als Herrscherin über Leben undTod aufgespielt», als sie auf der Intensivstation tödliche Überdosenspritzte. Dabei habe sie ihre eigenen Vorstellungen von lebenswertemLeben zu Grunde gelegt. Bei dem ersten mutmaßlichen Mord habe dieAngeklagte einem Patienten eine Überdosis Dormicum verabreicht, weilsie wütend über die Unruhe des Mannes gewesen sei.
Fünf Männer und eine Frau im Alter von 48 bis 77 Jahren wurdenlaut Anklage von Ende 2005 bis Oktober 2006 von der Krankenschwesterermordet. Die Angeklagte war im vergangenen Oktober nach internenHinweisen zu der Serie abrupter Todesfälle verhaftet worden. Einem42-jährigen Pfleger war aufgefallen, dass sie einem todkrankenPatienten ein Mittel spritzte, der eigentlich nicht mehr behandeltwerden sollte. Der Pfleger, der die Ermittlungen ins Rollen gebrachthatte, räumte ein, möglicherweise zu lange gezögert zu haben, bevorer seinen Verdacht gegen die Krankenschwester äußerte. Nach demersten Verdacht kam es zu drei weiteren Todesfällen.
Einen 38-jährigen Pfleger der Station und andere Kollegen plagt imNachhinein das schlechte Gewissen. «Es herrscht Ausnahmezustand inder Charité, viele machen sich Vorwürfe», erklärte der Zeuge.Vielleicht sei es eine Fehlentscheidung gewesen, so lange zuschweigen. Zugetraut habe er der Schwester die Taten nicht. EndeSeptember schließlich brodelte die Gerüchteküche: «Es ist schonwieder jemand von der Schwester getötet worden», habe ihmbeispielsweise ein Arzt erzählt. Ein Anwalt von Angehörigen betonte,das Kontroll- und Kommunikationssystem in der Klinik habe versagt.Die geschiedene Krankenschwester arbeitete seit 1995 auf derIntensivstation der Kardiologie. Ein Pfleger beschrieb die Schwesterals zuletzt «menschlich kaputt und ausgebrannt». Zu Patienten sei sieungehalten, ja unsanft gewesen. Der Pfleger sprach auch von«wunderlichen Zügen» - die Schwester habe gepfiffen und gesungen.Einmal habe sie über den Tod eines Patienten gelacht.
Bundesweit lösen Verbrechen durch Personal an Krankenhäusern immerwieder Entsetzen aus, auch der Fall an der Charité hatte Schlagzeilengemacht. Die bisher größte Serientötung ereignete sich in Bayern, woein Pfleger einer Klinik in Sonthofen 28 Menschen getötet haben soll.2006 erhielt er deswegen eine lebenslange Haft. Das Urteil ist nochnicht rechtskräftig.