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Politik und Satire Politik und Satire: Schlämmer kann Kanzler

Von Esteban Engel 04.08.2009, 09:49

Berlin/ddp. - Horst Schlämmer alias Hape Kerkeling hat zu seiner ersten Wahlkampfpressekonferenz mit der Horst Schlämmer Partei (HSP) eingeladen. Eigentlich sollte der noch unfertige Kinofilm "Isch kandidiere!" beworben werden, den Kerkelings Lebensgefährte Angelo Colagrossi produziert. Doch jetzt scheinen sich alle ernsthaft für das Programm des fiktiven Kanzlerkandidaten zu interessieren.

Kerkelings Marketingkampagne geht auf. Während die großen Parteien noch kein einziges Wahlplakat aufgehängt haben, grinst der HSP-Vorsitzende schon von den Berliner Litfaßsäulen. Als würde die Regierungschefin selbst auftreten, drängen sich etwa 30 Kamerateams im Konferenzsaal. Der Nachrichtensender N 24 überträgt live.

Horst Schlämmer ist noch nicht einmal erschienen, da kommt der Moderator der Veranstaltung schon ins Schwitzen. Während er die HSP-Ziele vorstellt - "Schönheits-OPs auf Kassenkosten, Gratis-Sonnenbank für alle!" - stürmt in seinem Rücken die PARTEI um den früheren "Titanic"-Chefredakteur Martin Sonneborn das Podium. Sie will die Öffentlichkeit zur Vorstellung ihrer eigenen Filmkomödie nutzen, die ebenfalls im Wahlkampf startet. Sicherheitskräfte müssen die Satiriker mit Gewalt vom Podium zerren.

Mit schmierigem Toupet, rheinischem Grunzen und Herrenhandtasche hat Tausendsassa Kerkeling ein Alter Ego kreiert, das Fremdschämen auslöst. Horst Schlämmer hat es binnen vier Jahren geschafft, seinen Schöpfer so gut wie vergessen zu machen. Es ist schon ein Phänomen, dass viele ihn inzwischen als eigenständige Persönlichkeit wahrnehmen.

Dass der vermeintliche Politiker nun aber auch noch seine frühere Rolle als vermeintlicher stellvertretender Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts übertrumpft, erstaunt wirklich. Auf dem Grevenbroicher Marktplatz hätten sie die Dreharbeiten abbrechen müssen, weil so viele potenzielle Wähler ihrem "Horst" mal auf die Schulter klopfen wollten, heißt es.

Vielleicht ist die Identifikation mit dieser Figur damit zu erklären, dass sie niemandem Versprechungen macht. Für die Wirtschaftskrise habe er keine Lösung, sagt Horst Schlämmer. Vier Millionen Arbeitsplätze schaffe er auch nicht - vor allem nicht mit "Rücken, Füße und Kreislauf". Wenn er keine vier Jahre durchhalte, müsse eben der Koalitionspartner ran. Mit Claudia Roth könne er sich das gut vorstellen. Grün und HSP-Ocker, das wäre dann "die Fango-Koalition".

Die Journalisten spielen mit und stellen brav politische Fragen: Was er denn mit Berlin als Hauptstadt vorhabe, will jemand wissen. Die Ministerien sollten nach Grevenbroich umziehen, "denn ich schlafe gern zu Hause", kontert Schlämmer. Von Lotti, der Reporterin der ZDF-Kindernachrichten Logo, ist Schlämmer so begeistert, dass er der Elfjährigen eine Filmrolle verspricht. Ihr Idol, die Popsängerin Vanessa Hudgens, solle ruhig Kulturstaatsministerin werden, denn "Jugend ist Zukunft". "Da weiße Bescheid".

Der Entertainer und Schauspieler Hape Kerkeling als Horst Schlämmer posiert in Berlin während eines Fototermins zum Film «Horst Schlämmer - Isch kandidiere!» vor einem Filmplakat. (FOTO: DPA)
Der Entertainer und Schauspieler Hape Kerkeling als Horst Schlämmer posiert in Berlin während eines Fototermins zum Film «Horst Schlämmer - Isch kandidiere!» vor einem Filmplakat. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild