1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Pakistan: Pakistan: Hunger, Durst und Cholera

Pakistan Pakistan: Hunger, Durst und Cholera

Von PETRA PLUWATSCH 18.08.2010, 18:31

KÖLN/MZ. - Mag sein, dass man in Tönisvorstam Niederrhein beim deutschen Medikamentenhilfswerk"Action Medeor" bald Wochenenddienst schiebenwird. Vier Tonnen mit Emergency Health Kits,also medizinischen Notfallpaketen, hat "Deutschlandsgrößte Apotheke" in den vergangenen Tagengepackt und an Hilfsorganisationen gesandt,damit sie die Medikamente weiterleiten insüberflutete Pakistan. Beim Erdbeben in Haitihabe man gar Familienangehörige bitten müssen,beim Verpacken von Aspirin, Spritzen und Antibiotikazu helfen, erinnert sich Ute Hoffmann von"Action Medeor" an die Naturkatastrophe imJanuar. Nun also ist es Pakistan, das um Rettungaus höchster Not bittet.

Schleichend kam die größte Flutkatastropheseit Jahrzehnten über das Land und brachteHunger und Durst, Lungenentzündungen und Choleramit sich. Inzwischen treffen Hilfsorganisationenaus aller Welt vor Ort ein, um den über 20MillionenOpfern zu helfen, die Hab und Gut verlorenhaben. Und die Helfer haben schon Routinein der Bewältigung von Katastrophen dieserGrößenordnung. Die Zahl der Naturkatastrophenist weltweit gestiegen, die Dimensionen sindheute andere als noch vor 20, 30 Jahren. "Wirzählen inzwischen die Rekorde", sagt MartinVoss, Leiter der Katastrophenforschungsstelleder Universität Kiel, und hofft, dass dasnicht zynisch klingt. Seit 2000 beobachteter eine Zunahme von Katastrophen, deren Zerstörungskraftdas Maß des Gewohnten weit übersteigt. Warumdas so ist? "Der Mensch baut seine Welt immerweiter aus und bereitet sich auf Naturkatastrophenschlecht vor, obwohl wir immer mehr werden."

Ereignisse wie diese hätten in der Regel eineVorgeschichte. Das ist in Pakistan nicht anders:Ein schwer regierbarer Vielvölkerstaat, dieLast einer kolonialen Vergangenheit, wechselndeRegierungen, eine schwierige politische Lage- all das, sagt Voss, trage dazu bei, "dassman sich nicht optimal auf seine Umwelt einlassenkann. Der Staat sorgt nicht vor für das, waseventuell kommt. Es gibt keinen vernünftigenBevölkerungsschutz, keine Raumplanung". Mehrnoch: Es fehlten Konzepte, die "Dramaturgieeiner Katastrophe" vorherzusehen, glaubt FriedemannWenzel vom "Center for Disaster Managementand Risk Reduction" in Karlsruhe.

Hätte man also schon vor Wochen wissen können,welch nationalem Unglück Pakistan entgegengeht?Man habe das Ausmaß der Katastrophe unterschätzt,gibt Berthold Engelmann von "Help" zu. Geradehat der Bonner Verein eine erste Tonne mitNotfallpaketen nach Pakistan geschickt. AndereOrganisationen wurden ähnlich überrascht vonden Dimensionen dieser Flut. Im Vorteil sindHilfsorganisationen, die seit Jahren in Pakistanarbeiten. Seit dem Erdbeben von 2005 sei manvor Ort, sagt Claudia Kaminski, Pressesprecherinder "Deutschen Malteser". "Unsere Teams kennendie Strukturen im Land und müssen nicht erstüberlegen, was fliegen wir ein. Sie kaufenes einfach in Islamabad." Die Beschaffungvon sauberem Trinkwasser steht an erster Stelle."Der Mensch kann Hunger ertragen, aber erkann nicht auf Trinkwasser verzichten", erklärtHans Stehling von der "Deutschen Gesellschaftfür Technische Zusammenarbeit". Erst dannkönne man sich um die medizinische Versorgungkümmern und Nothilfe leisten. Und wie dasGanze finanzieren? Noch ist die Spendenbereitschaftweltweit gering, was viele Gründe haben mag.Der Katastrophe von Pakistan fehle die Dynamik,die beispielsweise ein Erdbeben habe, versuchtMartin Voss eine Erklärung. "Sie hat keinenradikalen Höhepunkt. Eigentlich sehen Sienur Menschen, die im Wasser rumstehen." Hinzukomme der schlechte Ruf der Atommacht Pakistan."Man muss das Ganze aus dem politischen Kontextbefreien", fordert er. "Jetzt geht es nichtum Politik, sondern allein darum, diesen Menschenschnell zu helfen."