OLG Nürnberg OLG Nürnberg: Gustl Mollath kommt nach sieben Jahren frei

Nürnberg/afp/dpa. - Überraschende Wende im Fall Gustl Mollath: Der seit sieben Jahren in der Psychiatrie eingesperrte 56-Jährige kommt sofort frei, das Strafverfahren gegen ihn wird wieder aufgenommen. Das hat das Oberlandesgericht Nürnberg am Dienstag angeordnet.
Mollath sei unverzüglich aus der Unterbringung der Psychiatrischen Klinik in Bayreuth zu entlassen, entschieden die Richter. Nach Angaben seines Anwalts Gerhard Strate sollte er noch im Laufe des Nachmittags auf freien Fuß gesetzt werden.
2006 als gemeingefährlich in Psychiatrie eingewiesen
Mollath war 2006 als gemeingefährlich in die Psychiatrie eingewiesen worden. Unter anderem soll er seine Frau misshandelt und Autoreifen zerstochen haben.
Mollath sieht sich dagegen als Opfer eines Komplotts seiner früheren Ehefrau und der Justiz, weil er auf Schwarzgeldgeschäfte in Millionenhöhe hingewiesen habe. Mollath hatte seine Frau, eine Vermögensberaterin bei einer Bank, und andere 2003 wegen unsauberer Geschäfte angezeigt. Die Vorwürfe wurden nicht weiterverfolgt, erwiesen sich später aber teilweise als zutreffend.
Mollath wird von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt. Er soll sie im August 2001 mindestens 20-mal geschlagen haben. Außerdem habe er sie gebissen, getreten und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Mollath bestreitet die Vorwürfe.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhebt Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.
Die Hauptverhandlung beginnt vor dem Amtsgericht Nürnberg. Ein Gutachter attestiert Mollath gravierende psychische Störungen.
Mollath erstattet Strafanzeige gegen seine Frau, die als Vermögensberaterin bei der HypoVereinsbank arbeitet, weitere Mitarbeiter und 24 Kunden der Bank. Vorwurf: Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäfte. Die Anzeige wird später von der Staatsanwaltschaft abgelegt, weil die Angaben zu unkonkret seien.
Ein Gutachter bescheinigt Mollath wahnhafte psychische Störung und paranoide Symptome. Das Landgericht Nürnberg spricht ihn wegen Schuldunfähigkeit frei, ordnet aber seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.
Der Bundesgerichtshof verwirft Mollaths Revision.
Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt im Landtag, Mollaths Strafanzeige wegen der Bankgeschäfte seiner Frau sei „weder Auslöser noch Hauptanlass noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen“. Seine Vorwürfe hätten keinen begründeten Anfangsverdacht ergeben.
Ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 wird publik. Danach traf ein Teil von Mollaths Vorwürfen zu. Die Freien Wähler fordern Merks Rücktritt und einen Untersuchungsausschuss.
Merk will den Fall Mollath komplett neu aufrollen lassen und ordnet einen Wiederaufnahmeantrag wegen möglicher Befangenheit eines Richters an.
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Wiederaufnahme wegen Tatsachen, die dem Gericht bei der Verurteilung 2006 noch nicht bekannt gewesen seien. Entscheiden muss das Landgericht Regensburg.
Im bayerischen Landtag tritt der Untersuchungsausschuss zusammen, der den Fall durchleuchten soll.
Das Landgericht Regensburg lehnt eine Entscheidung über Mollaths Unterbringung vor Prüfung des Wiederaufnahmeantrags ab.
Der Untersuchungsausschusses geht zu Ende. SPD, Grüne und Freie Wähler bescheinigen Merk und den Ermittlern schwere Fehler und verlangen die Entlassung der Ministerin. CSU und FDP sehen keine Fehler bei Merk.
Nach dem Landgericht Regensburg weist auch das Oberlandesgericht Nürnberg einen Befangenheitsantrag von Mollaths Anwalt gegen einen Richter ab.
Das Landgericht Regensburg weist die Anträge zur Wiederaufnahme des Mollath-Prozesses zurück.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hebt die Regensburger Entscheidung auf. Das Gericht ordnet die Wiederaufnahme des Strafverfahrens sowie die sofortige Freilassung Mollaths an.
Mit der Entscheidung hob der 1. Strafsenat des OLG Nürnberg ein Urteil des Landgerichts Regensburg auf. Dieses hatte erst am 24. Juli 2013 die Wiederaufnahmeanträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung als unzulässig verworfen. Gleichzeitig ordnete der Nürnberger OLG-Senat eine neue Hauptverhandlung an und verwies das Verfahren an eine andere Kammer des Landgerichts Regensburg.
Die Fall Mollath hatte über Bayern hinaus für heftige Empörung gesorgt, Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) war zeitweise politisch schwer unter Druck geraten. Ende 2012 hatte sie dann selbst einen Wiederaufnahmeantrag wegen möglicher Befangenheit eines Richters angeordnet.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung des Gerichts. Jetzt müsse ein faires und objektives Wiederaufnahmeverfahren gewährleistet werden, sagte er.
Merk erklärte: „Die Justiz hat nun Gelegenheit, in einem weiteren öffentlichen Verfahren zu klären, ob Herr Mollath zu recht untergebracht ist oder nicht - und damit auch die Zweifel, die viele Menschen an dieser Entscheidung haben.“
Der bayerische SPD-Spitzenkandidat Christian Ude betonte: „Damit wird ein langjähriger bayerischer Justizalptraum beendet, der Ansehen der Justiz beschädigt und viel Unbehagen und Misstrauen aufgetürmt hatte.“ Mollath-Anwalt Gerhard Strate sagte der dpa: „Damit ist in Bayern wieder der Rechtsstaat hergestellt.“
Zweifeln an einem ärztlichen Attest
Die Nürnberger Richter begründeten ihre Entscheidung mit Zweifeln an einem ärztlichen Attest vom Juni 2002, in dem eine Nürnberger Arztpraxis Mollaths damaliger Ehefrau Verletzungen nach den angeblichen körperlichen Misshandlungen bescheinigt hatte. Auf dem Attest hatte im Wesentlichen der Vorwurf gefußt, Mollath habe seine damals bei der HypoVereinsbank beschäftigte Ehefrau im Streit um angebliche Schwarzgeldgeschäft geprügelt.
Das OLG Nürnberg betonte in seiner Entscheidung, das Attest sei zwar von einem Weiterbildungsassistenten ausgestellt worden, der auch Frau Mollath persönlich untersucht habe. Genannt werde in dem Attest aber der Name der Praxisinhaberin, die selbst Frau Mollath damals gar nicht behandelt habe. Dadurch vermittle das Attest den Eindruck, das Dokument gebe „die Feststellungen der Praxsinhaberin“ wieder. Bei dem Weiterbildungsassisten hatte es sich um den Sohn von Frau Mollaths damaliger Hausärztin gehandelt.