Odenwaldschule Odenwaldschule: Schüler quälen Schüler
DARMSTADT/MZ. - Der frühere hessischeKultusminister Hartmut Holzapfel (SPD) bestreitet,zu seiner Amtszeit (1991 bis 1999) über Missbrauchsfällean der Odenwaldschule in Oberhambach (OSO)informiert worden zu sein. Holzapfel sagtegestern der Frankfurter Rundschau: "Das istschlicht unzutreffend." Der frühere SchulleiterGerold Becker, der Schüler missbraucht habensoll, hatte nach Angaben seines NachfolgersWolfgang Harder im August 1998 den damaligenKultusminister Holzapfel über die Vorwürfeinformiert. Als die Vorwürfe gegen BeckerEnde 1999 durch einen Bericht der FrankfurterRundschau bekannt wurden, schrieb Harder andas Staatliche Schulamt, Becker habe den Minister"in der letzten Augustwoche 1998" unterrichtet.
Berichte liegen vor
Holzapfel widersprach. "Sie können sichersein, dass ich das nicht für mich behaltenhätte", sagte er der Frankfurter Rundschau.Er hätte Becker in einem solchen Fall auchsofort von seiner Tätigkeit als Berater desMinisteriums entbunden, fügte Holzapfel hinzu.Becker war bis November 1999 offiziell Beraterdes Ministeriums. Nach Informationen der FrankfurterRundschau wurden Schüler noch bis weit indie 90er Jahre hinein von Lehrern sexuellmissbraucht. Der Schulleitung lägen inzwischenBerichte von ehemaligen Schülern vor, diegrausige Rituale aus der jüngeren Vergangenheitschildern.
"Das sprengt unsere Vorstellungskraft", sagteRektorin Margarita Kaufmann. Nach Auskunftvon Kaufmann haben sich weitere Missbrauchsopfergemeldet, die auch von "furchtbaren Misshandlungenvon Schülern an Schülern" berichtet hätten.Dazu habe das Versengen und Verbrühen vonGenitalien gehört, Minderjährige seien vonSchulkameraden als "Sandsack missbraucht"und vor anderen erniedrigt worden. Ein Altschülerhabe die Vorgänge, die bis weit in die 90erJahre reichten, mit der filmischen Gewaltorgie"Clockwork Orange" verglichen. Kaufmann äußertesich schockiert. "Ich frage mich, wie daspassiert sein kann, ohne dass Lehrer die schrecklichenSchmerzensschreie gehört haben."
Mehrere Schüler beschreiben, wie ein gefesselterJugendlicher von Mitschülern sexuell missbrauchtworden sei. Der verantwortliche Lehrer, derdabei untätig daneben gestanden habe, sei1992 aus der Schule ausgeschieden, sagte SchulleiterinKaufmann. Sie berichtete zudem, dass vierAltschüler nach ihrer Zeit an der OdenwaldschuleSuizid begangen hätten. Ex-Schüler berichten,alle vier seien während ihrer Schulzeit Opfervon Missbrauch gewesen.
Im Blickpunkt steht heute unter anderem einPädagoge, der bis 1999 im Odenwald tätig warund der zu den Lehrern zählt, die eine ihrerEx-Schülerinnen geheiratet haben. Er gehörte1999, als die Vorwürfe gegen den ehemaligenRektor Gerold Becker publik wurden, zu denvehementesten Verteidigern der Schule. ImJanuar 2000 schrieb der Lehrer einen Briefan einen aufklärungswilligen Ex-Kollegen,den er massiv beschimpfte.
Brisanter Brief
In dem Brief, welcher der FrankfurterRundschau vorliegt, schrieb er über die Weigerungvon Beckers Nachfolger Wolfgang Harder, Gerüchtenüber sexuellen Missbrauch nachzugehen: "Rechthatte er!" Über seine spätere Frau merkt eran, er habe sie "unter den vielen wunderschönenund gescheiten Jungfrauen in Oberhambach alsdie geeignetste" ausgesucht und "quasi vonder Schulbank weg" geheiratet. Der Brief endetmit dem Ratschlag an den Ex-Kollegen: "Hündchensollt nicht höher pinkeln als Beinchen hebenkann." Der Briefschreiber ist einer von achtLehrern, gegen welche die Staatsanwaltschaftaktuell ermittelt.