1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Nordrhein-Westfalen: Nordrhein-Westfalen: Serienmordprozess wie im Kino

Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen: Serienmordprozess wie im Kino

Von Elke Silberer 17.07.2008, 15:28
Der Angeklagte Egidius S. (l.) sitzt am Donnerstag im Landgericht in Aachen neben seinem Verteidiger Rainer Dietz (r). (Foto: dpa)
Der Angeklagte Egidius S. (l.) sitzt am Donnerstag im Landgericht in Aachen neben seinem Verteidiger Rainer Dietz (r). (Foto: dpa) dmp-press

Aachen/dpa. - Anwalt Rainer Dietz brachte einen - ausseiner Sicht - neuen Tatverdächtigen ins Spiel. Niemand kann diesenMann mehr befragen, denn er ist tot. 1987 nahm er sich das Leben.Wegen der Beweisanträge der Verteidigung verschob das Landgericht amDonnerstag das Urteil. Der nächste Verhandlungstag ist am 12. August.

Dietz brachte in den letzten 15 Prozesstagen rund 40 Anträge einund spricht von der Unschuld seines Mandanten. «Ich bin davonüberzeugt, er war es nicht», sagt er immer wieder in die Mikrofone.

Sein Mandant ist Vater eines kleinen Jungen, war früherKrankenpfleger und Versicherungsvertreter und sitzt als mutmaßlicherFünffachmörder auf der Anklagebank. Der 52-Jährige soll zwischen 1983und 1990 fünf junge Anhalterinnen erdrosselt haben. Drei von ihnensoll er zuvor vergewaltigt haben, eine der Vergewaltigungen istverjährt. Der schwergewichtige 1,90 Meter-Mann hatte die Taten beider Polizei gestanden, zum Prozessauftakt aber widerrufen. Dietzbemühte sich, das Geständnis als Lüge zu entlarven, schien damit aberwenig erfolgreich.

Wie sonst in Fernsehserien üblich, beauftragte er einen Detektiv.Den setzte er auf ein Gerücht an, das sich über die Jahrzehnte in demOrt Merkstein bei Aachen hielt. Dort soll sich 1987 ein 60 Jahrealter Mann das Leben genommen und einen Abschiedsbrief hinterlassenhaben. Darin soll er den Mord an einer oder mehreren derAnhalterinnen gestanden haben. Sein Detektiv habe erst kurz vor demUrteil wichtige neue Erkenntnisse gewonnen, sagte Dietz - wie imFilm.

Der neuer Tatverdächtige des Verteidigers war Glasermeister inMerkstein. Als 1984 die zweite junge Tramperin starb, wurde erüberprüft. Diese Ermittlungen gingen als «Spur 86» in die Akten ein,wurden aber nicht weiter verfolgt. Wenige Monate später schlug derMörder wieder zu und erdrosselte eine 17-Jährige. An diesem Opferfanden die Ermittler Spermaspuren des jetzt in Aachen Angeklagten -und ein Schamhaar von einem Unbekannten. Dieser Unbekannte hattedieselbe seltene Blutgruppe wie der Glasermeister.

Der Vorsitzende Richter Gerd Nohl beschaffte die Akte mit der«Spur 86» - doch einen Brief gab es darin nicht. «Das sindausschließlich Gerüchte», sagte Staatsanwalt Ralf Bücker. «Ich habein der Akte nichts gefunden, was auf ein Geständnis hinweist.» Auchder Verteidiger hat den Brief bisher noch nicht gesehen.

Für Dietz ist der noch nicht nachgewiesene Abschiedsbrief derSchlüssel zum Erfolg. Sein Mandant hatte vor dem Prozess fünf Mordegestanden. «Wenn nur ein Mord rausfällt, dann ist das ganzeGeständnis unglaubwürdig», sagte er. Er hofft darauf, dass sich derBrief in der Akte zu der Selbsttötung befindet.