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Kriminalität Kriminalität: «Ich wollte ihr all das Leid zurückgeben»

Von Patrick Wötzel 12.06.2007, 14:49

Würzburg/ddp. - Im Prozess um einen grausamen Foltermord an einer74-jährigen Rentnerin im Landkreis Kitzingen hat der Angeklagte zumAuftakt ein Teilgeständnis abgelegt. Der 51-jährigeMaschinenbaumeister gab am Dienstag vor dem Würzburger Schwurgerichtzu, seine verhasste Stiefmutter am Abend des 3. April 2006 im Kellerdes gemeinsam bewohnten Anwesens in Volkach nach einem Streit getötetzu haben. «Ich habe mich provozieren lassen, Dinge zu tun, die ichmir nicht erklären kann», sagte der Angeklagte.

Mehrere Minuten lang will er mit bloßen Händen auf die alte Fraueingeprügelt haben, bis sie regungslos am Boden lag. Erst danach solldas geschehen sein, was den Fall so außergewöhnlich brutal macht.Weil er davon ausging, dass sie tot war, schlug der Angeklagte denleblosen Körper der Stiefmutter mit Peitschen und Stöcken,misshandelte sie mit Nadeln und anderen Folterinstrumenten: «MeinHass wurde immer größer. Ich wollte ihr all das Leid der letztenJahre zurückgeben.»

Die Staatsanwaltschaft geht von einer ganz anderen Version derEreignisse aus und legt ihm Mord, Vergewaltigung und gefährlicheKörperverletzung zur Last. Gleich fünf Mordmerkmale soll der51-Jährige verwirklicht haben: Er habe die Rentnerin «zurBefriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier, heimtückisch,grausam und zur Verdeckung einer Straftat» umgebracht, sagteOberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager. Den tiefen Hass auf seineStiefmutter soll der Angeklagte über die Jahre entwickelt haben, weilsie von seinem verstorbenen Vater als Vorerbe für das von beidenbewohnte Haus eingesetzt worden war. Am Abend des 3. April 2006 soller außerdem sexuell-sadistische Neigungen am Opfer ausgelebt haben.

Nach Ansicht des Anklagevertreters hat der Maschinenbauer dieRentnerin unter einem Vorwand in den Keller gelockt. Dort soll erseine Peitschen, Messer, Spieße, Seilzüge, Ketten und andereFolterwerkzeuge schon vorbereitet gehabt haben. Mit Hilfe einesElektroschockers soll der 51-Jährige die Stiefmutter im Kellerhandlungsunfähig gemacht und sie dann entkleidet, gefesselt,geknebelt und mit gespreizten Armen und Beinen aufgehängt haben. LautAnklage hat er sein wehrloses Opfer stundenlang gequält undvergewaltigt. Ohlenschlager sprach von mindestens einhundert,möglicherweise auch mehreren hundert Schlägen mit Peitschen undStöcken.

Später habe der Angeklagte «mit einem Messer oder einer Säge eingroßes Blutgefäß geöffnet oder begonnen, das noch lebende Opfer zuzerteilen», sagte der Anklagevertreter. Der Angeklagte trennte Arme,Beine und Kopf des Opfers ab und legte sie in eine blaue Regentonneab. Dort wurde die zerstückelte Leiche am Nachmittag des 5. April2006 von einer Polizeistreife gefunden. Diesen Teil der Anklage hatder 51-Jährige ohne Umschweife eingeräumt. Allerdings sei er davonausgegangen, dass die Rentnerin schon tot war, als er sie folterte:«Es war alles wie im Rausch. Erst heute weiß ich, dass siewahrscheinlich nur bewusstlos war.»

Für sein Opfer hatte der Maschinenbauer im Prozess kein Wort desBedauern übrig. Er warf der Stiefmutter vor, eine «Frau mit zweiGesichtern» gewesen zu sein: In der Öffentlichkeit und ihrenVerwandten gegenüber sei sie als lebenslustige und sympathische Frauaufgetreten. Er selbst habe sie als «hinterlistige und streitlustigePerson» erlebt, die im Ort böse Gerüchte über ihn in Umlauf gebrachthabe.

Unter anderem soll die Rentnerin mehrfach erzählt haben, dass derAngeklagte Verhältnisse zu mehreren Frauen gleichzeitig hatte. Am Tagder Tat sei der jahrelange Streit - unter anderem soll es immerwieder um das Wassergeld für die Einliegerwohnung des 51-Jährigengegangen sein - dann eskaliert. Die Stiefmutter habe im Verlauf derheftigen Auseinandersetzung nicht aufgehört, ihn zu provozieren, sodie Version des Angeklagten. Als die 74-Jährige ihm vorwarf, einesexuelle Beziehung zu seiner leiblichen Mutter gehabt zu haben, habeer endgültig die Beherrschung verloren.

Die leiblichen Söhne des Opfers, die in dem Prozess alsNebenkläger auftreten, haben diese Version am Dienstag als«Märchenstunde» zurückgewiesen: «So etwas ist undenkbar. Sie war einherzensguter Mensch», sagte einer der vier Brüder. Der Prozess wirdam Mittwoch fortgesetzt. Spätestens Ende Juli will das Schwurgerichtsein Urteil verkünden.