Konzert auf dem Breslauer Platz in Köln Konzert auf dem Breslauer Platz in Köln: Klavierspieler brachte randalierende Hooligans zum Singen

Innenstadt - Eigentlich hatte der Pianist Davide Martello (32) ein geselliges Freiluft-Konzert auf der Domplatte geplant. Im Rahmen seiner kleinen Rhein-Ruhr-Tournee. Als der Musiker am Sonntag um 16 Uhr mit dem eigens angefertigten Lastenfahrrad seinen elektrisch verstärkten Flügel auf den Platz zieht, läuten die Glocken. „Unglaubliche 20 Minuten lang. Da man auf der Domplatte nur eine halbe Stunde spielen darf, blieben mir dann nur zehn Minuten für meine Musik“, erzählt der deutsch-italienische Musiker, der aus Konstanz angereist ist. Entschieden zu wenig für den Mann, der vor zwei Jahren seinen Beruf als Frisör aufgab, um sich den Traum zu verwirklichen, in allen Großstädten der Welt zu spielen.
Berühmt wurde er durch seine Freiluftkonzerte auf dem Maidan in Kiew und während der Gezi-Proteste in Istanbul. Trotzig hängt er noch ein „Let it be“ von den Beatles an und überzieht das vorgeschriebene Zeitkontingent. „Da stand auch schon die Polizei vor mir und drohte, mein Instrument zu beschlagnahmen.“
Mit Musik Menschen befrieden
Frustriert zieht Martello mit seinem Pianobike in Richtung Breslauer Platz ab. Und gerät auf dem Rückweg per Zufall mitten in die aus dem Ruder laufende Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“. Plötzlich ist er von Glatzen umgeben, die Stimmung ist aggressiv, die Polizei setzt Wasserwerfer ein. Martello macht das, was er eigentlich immer macht: Er versucht mit seiner Musik die Menschen zu befrieden.
Dabei registriert der Musiker sofort, dass er sich in einer brisanten Situation befindet. „Angst hatte ich keine. Ich habe intuitiv reagiert, mich hingesetzt und angefangen deutsche Lieder zu spielen und dazu zu singen.“ „Über den Wolken“ von Reinhard Mey zum Beispiel oder das Soldatenlied „Lili Marleen“. „Mir war wichtig, dass die Gewalt nicht eskaliert. Ich habe mich mit den Hooligans gemein gemacht, weil ich darin eine Chance zur Deeskalation gesehen habe.“
Polizisten danken für die Hilfe
Die Musik verfehlt ihre Wirkung nicht: Die Rechtsextremen beginnen mitzugrölen, lachen, wippen im Takt zur Musik. „Atemlos“ von Helene Fischer schallt über den Platz. „Man konnte förmlich spüren, wie die Luft als dem Kessel entwich“, sagt er hinterher. Eine dreiviertel Stunde spielt Martello. Hinterher sei die Polizei zu ihm gekommen, um ihm für seine Hilfe zu danken, erzählt er. Passanten und eine Traube Polizisten umringen seinen Flügel.
Auf dem Taksim-Platz spielte der Musiker im vergangenen Jahr auf seinem Piano mitten zwischen Demonstranten und Polizisten. Zu den Klängen von „Imagine“ von John Lennon bildeten sich riesige Menschenmassen. Polizisten legten Schilde und Helme ab und lauschten neben den Demonstranten der Musik. Drei Tage spielte er auf dem Platz Beatles, Klassisches von Bach und ein spontanes komponiertes Lied für Istanbul. Die Menschen jubelten und sangen mit.
„Ich kenne die Erfahrung, dass die Musik zur Entspannung von hochbrisanten Situationen beiträgt“, sagt der Mann, den die Medien danach „Engel des Geziparks“ tauften. „Ich sehe mich mit meiner Musik als eine Art Friedensbotschafter. Die Musik strahlt positive Energie aus.“