Kontaktbörsen im Internet Kontaktbörsen im Internet: Lockvögel statt Liebe

Berlin/MZ - Amelie ist 48, Mutter eines Halbwüchsigen, seit mehr als zehn Jahren alleinerziehend. Ein Date mit einem Mann hatte sie seit Jahren nicht mehr. Durch Clubs mag die Lehrerin nicht ziehen, da bleibt nur Dating im Internet. Amelie betreibt es allabendlich. Mails schreiben, Fotos von sich zeigen, sich Charakterisierungen der Männer anschauen. Eine mühsame, endlose Suche.
Von den Dutzenden Männern in ihrem Postleitzahlengebiet, die laut ihres 120 Euro teuren „Persönlichkeitsgutachten“ optimal zu ihr passen würden, reagiert kaum einer auf ihr Anschreiben. Stattdessen bekommt sie Mails wie „Hallo Süße, was geht...“ Und alle drei Monate wird von ihrem Konto eine dreistellige Summe abgebucht. Wofür? fragt Amelie sich inzwischen.
79,7 Millionen Nutzer sollen in Deutschland im Internet flirten. Das kann nicht stimmen, aber die Portale kommen mit Angaben ihrer Mitgliederzahlen, zusammengerechnet, auf diese gewaltige Zahl. Als sie vor zwölf Jahren starteten, galten sie den Singles als das große Versprechen gegen Einsamkeit. Ein paar Klicks, einige Auskünfte, ein lockerer Chat am Computer - schon könnte der richtige Partner, die richtige Partnerin gefunden sein.
Testaccounts als Lockmittel für teure Jahresabos
Inzwischen stellte sich heraus, dass die Anbieter nicht durchweg mit seriösen Methoden arbeiten, dass es vorrangig um schnelle Geldabzocke und den Profit der Plattformen geht, die sich flotte Namen geben. Das Riesenversprechen, im Netz den oder die „Richtige“ einzufangen, lässt sich nur höchst selten realisieren.
Die Schummelei der Portale nimmt zu. Da wird getrickst bei Anmeldebestimmungen, werden Testaccounts angeboten, die am ersten Tag nach den 14 Tagen Probe gleich das volle Jahres-Abo für 478,80 Euro zur Folge haben. Überhaupt gibt es nur über Monate laufende Abos, die, wird nicht gezahlt, mit Mahnungen, Inkasso-Forderungen und im Ernstfall mit dem Gerichtsvollzieher geahndet werden. Inhaltlich wird von Nutzern zunehmend beklagt, dass immer wieder standardisierte Mails zugesandt werden („Ich möchte mehr über Dich wissen, schreib mir...“), dass die Profile angeschriebener Personen aber schon Stunden später gelöscht sind. Inzwischen sollen Portale auch Lockvögel beschäftigen, die unter falscher Identität flirten, sich deshalb nie auf ein Treffen einlassen. Mittlerweile sind Betrugsfälle vor Gericht gelandet. In Kiel wird gegen einen Betreiber ermittelt, der Mitarbeiter beschäftigt hat, die ihre Opfer dazu animierten, sich auf teure Premium-SMS einzulassen. Rund 700 000 taten das, ihnen wurde von Chat-Animateuren etwas vorgespielt. Der Schaden soll sich auf 46 Millionen Euro belaufen. Auch flotte Schreiber, die in Heimarbeit ansprechende Mails schreiben, sollen zahlreich zugange sein. Die erfolgreiche Bürokauffrau, 33, kann in Wahrheit ein 52-jähriger arbeitsloser Autoverkäufer sein. Diese Art von Betrug kann die Staatsanwaltschaft oft nicht nachweisen.
Warum fallen erwachsene Menschen auf so etwas herein? Weil die Hoffnung immer zuletzt stirbt. Das weiß man bei den Anbietern, die ihr „Produkt“ möglichst teuer verkaufen. Gefühle und Finanzwelt passen eben schlecht zusammen.