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Horror-Haus von Höxter Horror-Haus von Höxter: Angeklagte schildert Gewalttaten ihre Mannes

Von Barbara Cepielik 16.11.2016, 16:30
Die Angeklagten Wilfried W. (l) und Angelika W. (r, mit Aktenordner vor dem Gesicht) stehen im Landgericht in Paderborn (Nordrhein-Westfalen) getrennt durch ihre Anwälte Detlev Binder (2.v.l.) und Peter Wüller (2.v.r.) auf der Anklagebank.
Die Angeklagten Wilfried W. (l) und Angelika W. (r, mit Aktenordner vor dem Gesicht) stehen im Landgericht in Paderborn (Nordrhein-Westfalen) getrennt durch ihre Anwälte Detlev Binder (2.v.l.) und Peter Wüller (2.v.r.) auf der Anklagebank. dpa

Paderborn - Als Angelika W. aus Ost-Westfalen ihren späteren Ehemann kennenlernt, ist sie 30, sie hat noch nie eine feste Beziehung gehabt. Sie hat seit dem Realschulabschluss  als Gärtnerin gearbeitet, 160 000 Mark gespart. Und erzählt das ihrem neuen Bekannten, den sie über eine Anzeige im „Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ kennengelernt hat,  direkt. Sie zieht im Januar 1999 nach dem ersten Kuss bei ihm ins Apartment ein, zwei Monate später heiraten sie. Am zweiten Tag der Bekanntschaft habe er nicht mehr Händchen halten wollen: „Deine Hände sind mir zu heiß.“ Was er aber sehr wohl gewollt habe, sei ihr Geld.

Was sich in den Jahren danach entwickelt, ist angeblich ein nicht enden wollendes Martyrium. So schildert es Angelika W. (47) am zweiten Prozesstag vor dem Paderborner Landgericht. Dort sind sie und ihr Ex-Ehemann angeklagt, von 2009 bis 2016 mindestens zwei Frauen wie Tiere gehalten und dadurch umgebracht und weitere schwerst misshandelt zu haben. Die Gequälte ist laut Anklage selbst zur Misshandlerin geworden. Die Version des Mannes wird vorerst noch nicht zu hören sein: Seine Anwälte bezweifeln die Qualifikation des Gutachters, der sich zur Schuldfähigkeit des Manne geäußert hat – und fordern eine ergänzende Studie zu den von ihm angewandten Methoden.

Ein besseres Leben im Gefängnis

Man merkt der Frau mit der Prinz Eisenherz-Frisur an, dass sie gerne spricht und sich entlasten will, sie hat ein enormes Gedächtnis. Im Gefängnis, so sagt sie, gehe es ihr gut wie schon lange nicht mehr. Sie habe Zeit, nachzudenken. Sie beschreibt ihren Mann als jemanden, dem man es nicht recht machen konnte; nach endlosen Diskussionen über Kleinigkeiten sollen schon kurz nach der Hochzeit die Quälereien begonnen haben: Schläge  hätten zur Tagesroutine gehört, aber auch das „Decken, Alte“: Angelika W. musste sich demnach aufs Bett legen, wurde mit Decken  bedeckt und fast erstickt. 

 Ihr Mann habe sie mit heißem Wasser so verbrüht, dass sie  jahrelang Schmerzen gehabt habe; auf die blutenden und eiternden Wunden habe er immer wieder eingeprügelt. Sie sei, sagt Angelika W. aus, nicht ins Krankenhaus gegangen, weil ihr Ehemann dann führerscheinlos und allein gewesen wäre. Den  Ärzten, die sie  behandelten, ihrer Mutter und ihrer Schwester erzählte sie „ das Märchen vom Heißwasserkocher“, der umgekippt war. Anzeigen wollte sie ihren Mann nicht: Sie wollte nicht der Auslöser dafür sein, „dass er in den Knast kommt“.

Warum ist sie geblieben?

50, 80, 100 Mal habe er ihr blaue Augen geschlagen. Er habe ihr die Haare geschoren, mit dem Feuerzeug Verbrennungen zugefügt. “Ich bin“, soll Wilfried immer gesagt haben , „das hohe Gericht“. Dann hätten die Folterungen begonnen. „Ich habe verdammt viel auszuhalten gelernt und mir eine wahnsinnige Selbstbeherrschung anerzogen in den Jahren“, sagt  die Angeklagte. Warum Angelika W. bei ihm blieb, warum sie auch nach der Scheidung 2003 mit ihm zusammenlebte, sogar in ein gemeinsames Haus zog, das später als „Horrorhaus von Höxter“ bekannt wurde – das entschließt sich den Zuhörern nur schwer.

Dass auch Angelika dunkle Seiten hat, offenbart sich an diesem Tag  nur kurz. Sollte sie zur Polizei gehen, so habe sie einer der gefangenen Frauen gedroht, werde sie sagen, die Verbrühungen stammten von ihr, erzählt sie dem Gericht, das ihr gemeinschaftlichen Mord durch Unterlassen vorwirft. Ihr Ex-Ehemann sitzt da und lauscht aufmerksam. Als höre er etwas völlig Neues.