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Großbritannien Großbritannien: Sauf-Exzesse stellen das Ende der Sperrstunde in Frage

Von Britta Gürke 24.01.2005, 08:38
Prinz Charles trinkt in einem Pub in Stainforth ein Glas Bier (Archivfoto vom 17.12.2004). Die gute alte britische Sitte, dass sich in einem Pub jung und alt zu einem Gläschen trifft, ist mitunter bei Frauen und Jugendlichen zum «binge drinking» - schnelles Trinken bis zum Umfallen - mutiert. (Foto: dpa)
Prinz Charles trinkt in einem Pub in Stainforth ein Glas Bier (Archivfoto vom 17.12.2004). Die gute alte britische Sitte, dass sich in einem Pub jung und alt zu einem Gläschen trifft, ist mitunter bei Frauen und Jugendlichen zum «binge drinking» - schnelles Trinken bis zum Umfallen - mutiert. (Foto: dpa) PA/WPA ROTA

London/dpa. - Als «neue englische Krankheit» bezeichnet Premierminister TonyBlair das «binge drinking», das ausgiebige Saufen mit dem erklärtenZiel, betrunken zu werden. Vor allem eine steigende Zahl jungerFrauen ist der Unsitte verfallen. Die Folge der massenhaften Exzessesind zunehmende Randale, Kriminalität und Gewalt. Politiker, Polizeiund Ärzte befürchten, die Aufhebung der Sperrstunde könnte dasProblem noch verschärfen.

«Viele unserer Städte werden an Freitag- und Samstagabenden zuBezirken, die man besser meidet», sagt der innenpolitische Sprecherder konservativen Opposition, David Davis: «Pläne weiterzuverfolgen,die es den Pubs erlauben, 24 Stunden lang zu öffnen, sind deshalbunverantwortlich.»

Doch Blair sieht das anders. Er verteidigt das bereits 2003beschlossene Gesetz zur Abschaffung der Sperrstunde unter anderem mitdem Argument, so nähere sich Großbritannien der «Kultur» dereuropäischen Nachbarn an.

Außerdem verspricht sich die Regierung von der Aufhebung derSperrstunde eine bessere Verteilung des Alkoholkonsums über denAbend: «Gestaffelte Öffnungszeiten werden dazu beitragen, das Saufenund das damit einhergehende asoziale Verhalten zu reduzieren», sagtein Regierungssprecher.

Kritiker halten das für viel zu optimistisch. Ein von derRegierung beauftragtes Expertengremium hat errechnet, dass derbritischen Volkswirtschaft jährlich 14 Millionen Arbeitstage durchKater und alkoholbedingte Krankheiten verloren gehen. DerProduktivitätsverlust wird auf fast 10 Milliarden Euro geschätzt.Nochmal rund 10 Milliarden Euro kostet die Behebung der Schäden, diebetrunkene Vandalen verursachen. Angesichts solcher Zahlen kommt dieDiskussion um die Sperrstunde wieder ins Rollen.

«Es ist einfach abstrus zu glauben, wir könnten uns durch eineAufhebung der Sperrstunde in eine Nation von Wein-Feinschmeckern nachfranzösischem Muster entwickeln», sagt Professor Ian Gilmore vombritischen Ärzteverband. Auch der Chef der Londoner Polizei ScotlandYard, Sir John Stevens, warnt vor dem Ende der Sperrstunde: «DiePolizei wird damit überfordert.

Der neue Innenminister Charles Clarke hat den Kampf gegen das«binge drinking» neben der Asylpolitik und der Terrorismus-Bekämpfungganz oben auf seine Prioritätenliste gesetzt. «Auch die Wirte und dieGetränke-Industrie müssen sich ihrer Verantwortung stellen», forderter. Der erste Schritt dazu ist bereits getan: So sollen Pubbesitzernach wiederholten Ruhestörungen vor ihrer Tür künftig die Kosten fürPolizeieinsätze mittragen.