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Gottesdienst-Hinweise Gottesdienst-Hinweise in Templin: Keine Einigung im Streit um Spaghettimonster-Schilder

06.04.2016, 10:50
Rüdiger Weida von der „Kirche der fliegenden Spaghettimonster“
Rüdiger Weida von der „Kirche der fliegenden Spaghettimonster“ dpa-Zentralbild

Frankfurt (Oder) - Das Interesse an diesem Prozess war so groß, dass die 1. Zivilkammer vom kleinen Verhandlungsraum des Landgerichts Frankfurt (Oder) in einen der großen Säle umzog, in denen sonst spektakuläre Mordprozesse verhandelt werden. Doch an diesem Mittwoch ging es um kein Strafverfahren, sondern um einen Zivilstreit, und die meisten Prozessbeobachter, die vor dem Gerichtssaal auf Einlass warteten, mussten dann doch lächeln, als die Richterin über Lautsprecher zur Verhandlung rief: „Die Kirche des fliegenden Spaghetti-Monsters gegen das Land Brandenburg.“

Was wie eine Posse klingt, entwickelte sich zu einer hochernsten Verhandlung mit streitenden Anwälten, die sich gegenseitig vorwarfen, dass die Darstellung der Gegenseite so nicht stimme. Es gab Ermahnungen der Richterin, den jeweils anderen doch bitte ausreden zu lassen, und es wurden höchstrichterliche Urteile zitiert.

Gestritten wird um eine scheinbare Lappalie: Darf die satirisch geprägte „Pastafari-Kirche“ in Templin (Uckermark) für ihre Gottesdienste – also ihre „Nudelmessen“ – genauso werben wie die evangelische oder katholische Kirche? Natürlich, sagt der Kläger, Kirchenvereins-Chef Rüdiger Weida. Für ihn geht es um einen der Grundwerte der Demokratie. „Wir kämpfen um Gleichberechtigung“, sagte der 64-jährige einstige Sozialarbeiter. „Wir sehen uns ausdrücklich nicht als Religions-, sondern als Weltanschauungsgemeinschaft und wollen mit den Kirchen gleich behandelt werden.“

Mit Satire gegen Dogmen

Bei der Spaghetti-Monster-Kirche handelt es sich um eine religionskritische Gruppe, die für humanistische Werte wirbt, sich mit satirischen Mitteln gegen den Dogmatismus von Religionen wendet und nach eigenen Angaben etwa 80.000 Fans bei Facebook hat. Die Kirche beantragte schließlich die „Nudelmessen“-Schilder, die das zuständige Landesamt für Straßenwesen im November 2014 auch genehmigte.

Dann aber habe das Kulturministerium eingegriffen und dafür gesorgt, dass die Genehmigung zurückgezogen wird, so der Kläger. „Das ist eindeutig Willkür“, sagte Spaghetti-Kirchen-Anwalt Winfried Rath, der aus Münster angereist war. „Das war ein schikanöser Eingriff eines Ministeriums in die Arbeit einer staatlichen Behörde. Es ist erschütternd, dass eine Vereinbarung mit einem Amt nicht verbindlich ist.“ Wenn das Gericht dieser Sichtweise folge, könnte künftig jede Straßenbehörde die Schilder der katholischen Kirche verbieten. „Mit der Begründung: Weil wir es können.“

Mitarbeiter war nicht zuständig

Gleich am Anfang der Verhandlung fragte Richterin Sabine Selbig beide Seiten, ob eine gütliche Einigung vorstellbar sei. Zuerst lehnte das Land ab, dann die Nudel-Kirche. Die Richterin erklärte dann, dass das Land Brandenburg die ursprüngliche Genehmigung auch deshalb als nicht gültig ansehe, weil ein Mitarbeiter sie erteilt hat, der gar nicht dafür zuständig war.

Die Richterin gab klar zu erkennen, wie das Gericht entscheiden wird: Es sei egal, ob der ursprüngliche Vertrag rechtmäßig zustande gekommen sei – er sei ordentlich gekündigt worden. Damit wird die Kirche wohl verlieren. Ihre Entscheidung will die Richterin am 13. April bekanntgeben.

Vor dem Gerichtssaal lehnten die Vertreter des Landes jegliche Stellungnahme ab, und Kirchenvereins-Chef Weida kündigte an, dass seine Kirche bei ihren Anhängern wohl wieder Geld sammeln müsse, um die Berufung zu finanzieren. Sein Anwalt sagte: „Die haben Angst, dass wir ein Gutachten vorlegen, dass es sich tatsächlich um eine Weltanschauungsgemeinschaft handelt und dass dann jeder solche Schilder aufstellen will.“

Die umstrittenen Schilder hängen übrigens noch an den vier Ausfahrtsstraßen von Templin. Der Bürgermeister hat ihnen an kommunalen Masten so lange Asyl gewährt, bis der Rechtsstreit beendet ist.