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Gesellschaft Gesellschaft: Lefties begehen am Sonntag Linkshändertag

Von Sabine Dobel 09.08.2006, 06:29
Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton signiert mit links einer jungen Frau das Exemplar seines Buches «Mein Leben» in Hamburg. (Foto: dpa)
Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton signiert mit links einer jungen Frau das Exemplar seines Buches «Mein Leben» in Hamburg. (Foto: dpa) dpa

München/dpa. - Sie verwischen die Tinte, hantieren ungelenk mitder Schere - und wirken manchmal ungeschickt oder gar unbegabt. Schon als Kinder haben Linkshänder in einer Welt der Rechtshänder mit einer für sie verkehrten Welt zu kämpfen. Erste Zeichen vonLinkshändigkeit: Die Kleinen schreiben von rechts nach links odermalen Wörter und Buchstaben in Spiegelschrift. 140 Linkshänderberaterbundesweit versuchen verstärkt, schon Vorschulkinder gezielt zufördern. Immerhin ist etwa jeder vierte Deutsche linkshändigveranlagt, Schätzungen gehen bundesweit von 20 bis 30 MillionenLinkshändern aus. Am 13. August machen die «Lefties» mit demInternationalen Linkshändertag auf ihre Probleme aufmerksam.

In der Zeit vor der Schule und in der ersten Klasse sei gezielteFörderung am wichtigsten, erläutert Miriam Fichtner, Heilpädagoginund Beraterin bei der Ersten deutschen Beratungs- undInformationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder inMünchen. «Das ist die schwierigste Zeit.» Denn mit demSchreibenlernen gewöhnen sich Linkshänder fast automatisch eine«Hakenhaltung» der Hand an, die sie schneller erschöpft und die biszu Überdehnungen führen kann. «Die Kinder haben so gut wie keineVorbilder und suchen selbst nach einer Lösung», erläutert Fichtner.

Einer der wenigen, von dem sich Betroffene die richtige Haltungabschauen können, ist der ehemalige US-Präsident Bill Clinton. «Erschreibt für einen Linkshänder vorbildlich: Er wischt nicht drüber,das Blatt ist leicht nach rechts gekippt», erläutert Johanna BarbaraSattler, die vor gut 20 Jahren die Münchner Beratungsstelle gründete.Für die Tennisspielerin Monica Seles brachte die Linkshändigkeitsogar Vorteile: Sie war für ihre Gegnerinnen immer wiederunberechenbar. Prominente Linkshänder waren auch Johann Wolfgang vonGoethe, Wolfgang Amadeus Mozart und Albert Einstein.

Nicht immer war Linkshändigkeit gesellschaftlich akzeptiert.Schlimme Repressalien gab es in der NS-Zeit. Hitlers «ReichsführerSS» Heinrich Himmler gab 1935 eine Studie «Zusammenhang zwischenLinkshändigkeit einerseits und geistiger Verfassung der Homosexuellenandererseits» in Auftrag. Linkshänder und Schwule wurden darin alskrankes Gesindel geächtet. Aber nicht nur in der Nazizeit, sondernlange davor und teils auch danach wurde Linkshändigkeit oder dielinke Seite als negativ oder minderwertig gesehen. Davon zeugenRedensarten wie «zwei linke Hände haben» oder «mit dem linken Fußaufstehen». Dabei hat die «Füßigkeit» nicht zwingend etwas mit der«Händigkeit» zu tun - allerdings können Linkshänder oft auf demrechten Fuß besser stehen.

Noch heute werden Linkshändern bestimmte Eigenschaftenzugeschrieben. Sie gelten als chaotisch, aber auch als intelligent.Chaotisch seien höchstens die umgeschulten Linkshänder, sagt dazu diePsychotherapeutin Sattler. Bei Prädikaten wie gutes räumlichesVorstellungsvermögen oder große Individualität, die den «Lefties»zugeschrieben werden, warnt sie ebenfalls: «Da wäre ich vorsichtig.»

Bei Linkshändern ist die rechte Gehirnhälfte, die die linke Handsteuert, stärker motorisch geprägt - beim Umlernen gerät das Gehirngehörig durcheinander. Manche leiden lebenslang unter der «Umpolung».Die Linkshänderberater helfen deshalb auch Menschen, die wiederzurückschulen wollen. Schätzungen zufolge haben mehrere hundertLinkshänder den Schritt gewagt - allerdings muss sich das Gehirnerneut umstellen, mancher schafft die Wende nicht.

Ziel der Linkshänderberater ist es deshalb, flächendeckend Gruppenzur Schreibvorbereitung für Vorschulkinder anzubieten. Seit etwaeinem Jahr schult die Beratungsstelle in München als erster Stadtbundesweit zudem Kindergartenerzieher zu Linkshänderberatern. AuchLehr- und Bildungspläne seien noch verbesserungsfähig, sagt Sattler.«In Bildungsplänen für Kindergärten tut man sich noch schwer,Linkshänder werden meist nicht berücksichtigt, Hochbegabte eherschon.» An den Grundschulen sei die Förderung von Bundesland zuBundesland unterschiedlich. «In Bayern und Bayern-Württemberg ist essehr gut, Linkshänder sind in Lehrplänen berücksichtigt.»

In der Schule kann die Linkshändigkeit allerdings auch zu von denLehrern gar nicht erwünschten Vorteilen gereichen: Nämlich beimAbschreiben, wenn Linkshänder neben einem Rechtshänder sitzen. «Dasist dann optimal, weil das Blatt nicht verdeckt ist.»