Geschichte Geschichte: DDR-Regierungszug ist jetzt eine Jugendherberge

Pasewalk/Nürnberg/dpa. - Die Waggons stehen auf einem riesigen ehemaligen Bahngelände,auf dem ABM-Beschäftigte in den vergangenen sechs Jahren ein Paradiesfür Eisenbahnfans geschaffen haben: alte Dampfloks, nostalgischeFahrkartenschalter, Bahn-Uniformen, Gleisbau-Werkzeuge, 100 Jahrealte Eisenbahnpläne und eine Mitropa-Geschirr-Sammlung zählen zu denAusstellungstücken des Museums, das dort und in einem früherenLokschuppen eingerichtet wurde.
Was der DDR-Spitze auf Schienen diente, ist 15 Jahre nach dem Fallder Mauer außer in Pasewalk nur noch in Leipzig und Nürnberg zusehen: Der Triebwagen des Spezialzuges steht auf einem Abstellgleisdes Leipziger Hauptbahnhofs, einige Waggons werden im DB-MuseumNürnberg gezeigt.
Von Luxus waren die Regierenden nicht umgeben. Die engen Abteilesind mit braunem Mobiliar aus Sprelacard - mit Kunststoff überzogeneHolzplatten - eingerichtet. Die Polstersitze sind schmutzig-rot.Gehobenen Standard gab es für die prominenten Passagiere nur intechnischer Hinsicht: Jede Schlafkabine hatte fließendes warmes undkaltes Wasser, manche auch eine Dusche.
Die in der Regierungszeit Ulbrichts gebauten 40 Eisenbahn-Wagenwurden wechselweise als Regierungszug, Stabszug der DDR-Armee odervom Minister für Verkehrswesen genutzt. «Ulbricht litt unterFlugangst», erzählt Joachim Breuninger vom DB-Museum in Nürnberg.Honecker sei lieber geflogen oder mit dem Auto gefahren. «Der Zugwurde schließlich fast nur noch für den Transport des diplomatischenCorps zu der alljährlich von der DDR veranstalteten Hasenjagd in denBezirken Erfurt und Magdeburg verwendet», berichtet der Bahnexperte.
In Pasewalk haben Lehrlinge und Arbeitslose mehrere derausrangierten Wagen aufgepeppt. Entstanden ist ein rund 200 Meterlanger Zug aus Disco-, Speise- und Schlafwagen. An den Wänden derSchlafkabinen ranken sich Rosen, tummeln sich Zwerge, Feen und andereMärchengestalten.
Einen Kontrast bietet der Blick in einen Salonwagen des DDR-Regierungszuges im Museum: In der Küche stehen DDR-Produkte wieTempolinsen oder Trinkfix. Im Gang hängen Kopien von Briefen an ErichHonecker, darunter das berühmte Schreiben von Udo Lindenberg. Auf derPlastiktischdecke im Tagungsraum liegen ein «Banner der Arbeit», eineHonecker-Biografie und der Einsatzbefehl zum 17. Juni. Die braunenSchränke sind voller Literatur von Marx, Engels, Lenin, Gorbatschow.«Vieles habe ich aus Schulen bekommen, anderes aus dem Müll geholt»,erzählt der Vorsitzende des Lokschuppen-Vereins, Kurt Rabe, der umdie Zukunft des Projekts bangt. «Allein über die Besucher können wiruns nicht finanzieren», sagt er.
