Germanwings-Flug 4U9252 Germanwings-Flug 4U9252: Kümmert euch - nicht erst in Nachrufen

Köln - Wie wird es sein nach diesen schrecklichen Tagen? Wenn der Sturm sich legt, wenn Eltern, Partner, Freunde, Kollegen das erste Wochenende ohne Kind, Ehefrau, Freundin oder Kollegin durchleiden, wenn sie die Tür hinter sich schließen und alleine sind mit ihrem Schmerz und ihrer Verzweiflung über den Verlust und mit diesen grauenhaften Verdacht über die Wahnsinnstat des Sohnes.
Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine wird viel über die Sicherheit in Flugzeugen, über die psychische Verfassung von Piloten gesprochen und geschrieben – Spekulationen, Mutmaßungen, Theorien. Und weil unter den Opfern vor allem Deutsche sind, zeigen wir so viel Betroffenheit. Das gleiche Unglück woanders wäre vielen kaum eine Zeile wert.
Nichts ist selbstverständlich
Wenn diese Katastrophe also so nah ist, könnte sie aber umso mehr Anlass sein, sie noch näher an uns heranzulassen, sich selbst vor Augen zu führen: nichts, aber auch gar nichts im Leben ist selbstverständlich. Oder treffender: Nichts sollte für selbstverständlich erachtet werden. Gesunde Kinder, eine glückliche Beziehung, Freunde, Arbeit – der vergangene Dienstag hat gezeigt, dass man von einer Sekunde auf die andere vor Trümmern stehen kann.
Dass man dankbar und demütig ist, wenn das Schicksal es gut mit einem meint, uns verschont hat, ist naheliegend, fast schon banal. Das Schicksalhafte, Unausweichliche, das solche Unglücke umgibt, könnte jedoch auf der anderen Seite unser Handeln, Denken, Fühlen und den Umgang mit den Menschen in unserer Umgebung so ausrichten, dass wir auch durch einen so abrupten und unfassbaren Tod zumindest das mit Erleichterung sagen könnten: Wir sind im Reinen mit denen, die wir verloren haben. Diese Reinheit, diese Klärung sollte nicht erst auf dem Sterbebett passieren.
Im Gegenteil: Konkret aufs Leben bezogen heißt das, weniger Neid, weniger Missgunst, weniger Egoismus, weniger Zynismus, ja auch weniger Orientierung an ausschließlich ökonomischer Verwertbarkeit. Man kann diese Gedanken als pastorale Predigt abtun, die nicht eines der Opfer wieder lebendig macht, die keinen Absturz verhindern wird.
Ein Wunsch
Wohl wahr, nur sollte uns das nicht daran hindern, zumindest für einen kurzen Moment über unsere eigene Betroffenheit nachzudenken. So schnell, wie das Leben im Internetzeitalter ist, so schnell kann es eben vorbei sein. Und dann? Oder, wie die Beatles in „We can work it out“ erkannt haben: Das Leben ist so kurz, da ist keine Zeit zu streiten, mein Freund. Will sagen: Kümmert euch, geht pfleglich miteinander um, respektiert euch – nicht erst in Nachrufen.
Zugegeben ein weiter Bogen, ein Wunsch, eine Hoffnung. Aber gibt es eine realistischere Alternative?