Familie Familie: Vaterschaftstest per Post

Potsdam/Frankfurt/dpa. - Mehr als 2000 Tests hat zum Beispiel die Firma Humatrix inFrankfurt nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr ausgewertet, 20Gutachten pro Woche sind es derzeit beim Konkurrenten Biotix inPotsdam. Diese Zahlen werden mit aggressiven Werbekampagnen erzielt:«Mein...oder nicht mein?» lautet die Frage auf einem Humatrix-Plakatmit dem Foto eines strahlenden Babys. Biotix versprach im Frühjahrmit unverhohlenem Zynismus, einen Muttertags-Strauß zu versenden,wenn bis zum Vatertag ein Abstammungstest in Auftrag gegeben werde.«Mit wissenschaftlich-seriöser Werbung fällt man ja heutzutage nichtauf», weiß Biotix-Geschäftsführer Thomas Krahn. «Wir wollen das Themaauch etwas witzig darstellen.»
Nicht nur psychologisch, auch verfahrenstechnisch sollInteressenten die Entscheidung für den Vaterschaftstest möglichstleicht gemacht werden. Biotix hat eine kostenlose Hotlineeingerichtet, über die zunächst die Vertragsunterlagen angefordertwerden können. Anschließend kommen so genannte DNA-Bürsten ins Haus,die bei den Probanden über die Mundschleimhaut gestrichen und danneingeschickt werden müssen. Entsprechende Sets mit Reagenzgläsern undWattestäbchen verkauft Konkurrent Humatrix sogar für 20 Euro über dieApotheke. Für das Gutachten, das innerhalb von 72 Stunden imBriefkasten stecken soll, werden noch einmal mindestens 740 Eurofällig. Biotrix verlangt insgesamt 650 Euro.
Damit liegen die Labors aber immer noch um mehr als die Hälfteunter den Tarifen, die von öffentlich bestellten Sachverständigen fürAbstammungsgutachten in Rechnung gestellt werden - etwaige Kosten fürGericht und Anwalt noch nicht berücksichtigt. Die Tests derPrivatlabore haben allerdings nur dann eine Chance auf juristischenBestand, wenn ein Arzt die Herkunft der Proben bezeugen kann. NachAnsicht der amtlichen Konkurrenz birgt die DNA-Analyse anhand vonSpeichelproben aber auch immer noch Fehlerquellen. «Ich arbeiteausschließlich mit Blut», sagt Sigrun Beyer, Sachverständige fürAbstammungsfragen aus Bremen.
Bedenken richten sich aber weniger gegen die Genauigkeit der Testsals gegen deren ethische und rechtliche Seite. Schließlich werdendamit auf dem Postweg Umstände geschaffen, die dramatische seelischeund familiäre Folgen haben können - und das meist ohne Kenntnis derübrigen Beteiligten. «Heimlich genommene Proben sind unzulässig»,sagt Thilo Weichert, Stellvertretender Datenschutzbeauftragter desLandes Schleswig-Holstein in Kiel. «Sie verletzen dasPersönlichkeitsrecht des Kindes.» Nach Schätzung Weicherts geht esbei 98 Prozent der Fälle «nicht mit rechten Dingen zu»: Eineschriftliche Einwilligung der Mutter als zweiter Sorgeberechtigterfehlt.
Deren Unterschrift wird etwa in dem Biotix-Vertrag gar nichtverlangt. «Der Auftraggeber versichert, dass durch die Umstände derProbenentnahme keine Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personenverletzt wurde», heißt es dort unter dem Punkt «RechtsverbindlicheHinweise» schlicht. Ansonsten verweisen die Anbieter darauf, dass eseine gesetzliche Regelung zum privatrechtlichen Umgang mitGenanalysen noch gar nicht gibt. «Niemand weiß genau, was da Sacheist», sagt Biotix-Chef Krahn.