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Erdbeben Erdbeben: Seismologen simulieren das Schreckens-Szenario von 1906

11.04.2006, 08:10
Der Seismologe David Schwartz vom USGS (Geological Survey) zeigt auf die Hayward-Verwerfung in der Bay Area von San Francisco (Foto von Anfang April 2006). Es handelt sich um eine von fünf Verwerfungszonen im Großraum von San Francisco. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 62 Prozent wird vor 2032 einer dieser Gräben ein schweres Erdbeben auslösen, prophezeien Geologen (Foto: dpa)
Der Seismologe David Schwartz vom USGS (Geological Survey) zeigt auf die Hayward-Verwerfung in der Bay Area von San Francisco (Foto von Anfang April 2006). Es handelt sich um eine von fünf Verwerfungszonen im Großraum von San Francisco. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 62 Prozent wird vor 2032 einer dieser Gräben ein schweres Erdbeben auslösen, prophezeien Geologen (Foto: dpa) dpa

San Francisco/dpa. - «Vorsicht, diese Spalte kann sich jeden Moment bewegen», warntder graubärtige Wissenschaftler mit einem Augenzwinkern. «Im Falleeines starken Erdbebens kann sich diese Verwerfung um zwei Meterverschieben», erläutert seine Kollegin Mary Lou Zoback. «Das wäreeine Katastrophe, denn der 70 Kilometer lange Graben läuft direktdurch Orte hindurch. Das würde Häuser, Straßen und Wasserleitungenauseinander reißen.» Aus der Luft haben die Wissenschaftlernachgezählt: 461 Gebäude liegen direkt auf dem gefährlichen Graben.

Die «Hayward-Fault» ist eine von fünf Verwerfungszonen im Großraumum San Francisco. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 62 Prozent wirdvor 2032 einer dieser Gräben ein schweres Erdbeben auslösen,prophezeien die Geologen von der Bundesbehörde US-Geological Survey(USGS) in Menlo Park.

Rechtzeitig zum 100. Gedenktag des Bebens auf der San-Andreas-Verwerfung von 1906 haben die Wissenschaftler auf der benachbartenHayward-Falte eine etwa zehn Meter tiefe und ebenso breite Grubeausgehoben, um Besuchern zu zeigen, «wie eine aktive Falte aussieht».Eine dunkle und eine hellere Erdschicht sind leicht zu erkennen, mehrnicht. Hier stoßen zwei geologische Platten aufeinander, die einebewegt sich tief unter der Erdoberfläche langsam nach Norden, dieanderen nach Süden. Etwa alle 150 Jahre entlade die Hayward-Falte denangestauten «Stress» durch ein starkes Beben, erklärt Zoback. «Wirwissen nicht wann, aber wir wissen, dass es kommen wird».

Mit welcher Heftigkeit das Beben am frühen Morgen des 18. Aprils1906 die Bewohner von San Francisco aus den Betten warf, konnten dieSeismologen jetzt erstmals mit einer ausgefeilten 3-D-Computer-Simulation nachspielen. Extrem schnell rasen die Erdbebenwellen vomEpizentrum vor der Küste auf die Stadt zu. Nach vier Sekunden ist SanFrancisco getroffen, nach 30 Sekunden wackelt die gesamte Bay Area,nach 90 Sekunden erreicht der Erdstoß das 300 Kilomter entfernteMendocino am nördlichen Ende der Verwerfung.

Zwei Jahre haben vier Forschergruppen mit Supercomputern dasModell erstellt. Dabei griffen sie auf die alten Daten, Karten undVermessungen ihrer Vorgänger zurück, die nach 1906 den damals wenigerforschten San-Andreas-Graben unter die Lupe nahmen. Damit kann nundas Schreckens-Szenario für das erwartete «Big One» in der Bay Areasimuliert werden, in der sechs Millionen Menschen leben. «Hier gehendie Wellen durch Silicon Valley und schütteln das ganze Tal fast eineMinute lang durch. Wir sehen deutlich, dass dieses Gebiet mehr alsandere betroffen wäre», meint Zoback.

Diese Erkenntnisse könnten die Kommunen benutzen, um Gebäudebesser abzusichern und neue Notfallpläne aufzustellen. Es sei aber«sehr frustrierend», dass solche Vorschläge nur selten Anwendungfinden, klagt die Wissenschaftlerin. In San Francisco, das für seineschönen Altbauten bekannt ist, gibt es zum Beispiel keine Auflagenoder finanziellen Anreize, ältere Häuser besser abzusichern.

«Bei der Vorhersage von Erdbeben sind wir noch nicht viel weitergekommen», räumt Zoback ein. In der mit unzähligen Sensoren undMessgeräten vernetzten Ortschaft Parkfield auf halber Streckezwischen Los Angeles und San Francisco, wo es regelmäßig bebt,konnten bis jetzt keine Warnsignale vor größeren Erdstößen ausgemachtwerden. In einem anderen Experiment bohren sich die Forscher auf denGrund des San-Andreas-Grabens vor. In dreieinhalb Kilometer Tiefewerden Proben geholt und Messgeräte versenkt, die Daten aus denunterirdischen Gefahrenzonen nach oben senden sollen.

Zoback ist für das nächste Beben recht gut gerüstet. Die meistenGebäude auf dem USGS-Campus in Menlo Park sind mit Stahlverstrebungengesichert worden. In ihrem Hause, keine drei Kilometer von dem San-Andreas-Graben entfernt, steht ein Paket mit Wasser und Notproviantbereit, so wie es die Behörden empfehlen. Sie hat auch eine Erdbeben-Versicherung abgeschlossen, «obwohl die Prämien deutlich gestiegenund die Leistungen gesunken sind».