Edeka-Werbung Edeka-Werbung: Sehr geiler Dorsch übrigens

Halle (Saale)/MZ - Er raucht ein Würstchen, knuddelt eine Katze und überschüttet sich in der Badewanne selbst mit Milch und Müsli, während er mit Brummelstimme immer wieder „supergeil“ knödelt. Friedrich Liechtenstein, der eigentlich Hans-Holger Friedrich heißt, hat es geschafft: Eine klinisch saubere Tonfolge in C-Dur, ein überschaubar komplexer Text voller Begriffe aus der Konsumwelt und fertig ist der Hit. „Supergeil“, supersimple und superunwiderstehlich.
Die Welt liegt dem Elektropop-Opa aus Eisenhüttenstadt zu Füßen, seit er seinen vor ziemlich genau einem Jahr zusammen mit dem Berliner Musikertrio Der Tourist eingespielten Song „Supergeil“ im Auftrag einer großen Supermarktkette noch einmal eingesungen hat. Nach acht Tagen haben rund vier Millionen Menschen das von einer Hamburger Werbeagentur konzipierte Video angeschaut, Zeitungen aus Großbritannien, Frankreich und den USA berichten und überschlagen sich mit Vergleichen zum knuffigen Südkoreaner Psy, der vor anderthalb Jahren mit einem Video zum Lied „Gangnam Style“ zum Weltstar wurde.
"Supercrunchy, supertasty, supergeil"
Friedrich, vor 58 Jahren in der DDR geboren und später Student an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, ist ähnlich schmerzfrei wie sein Kollege aus Asien. Er räkelt sich im Wannenbad, tänzelt zwischen Supermarktregalen, streicht sich den weißen Vollbart und schnurrt die Namen von Produkten wie Liebeserklärungen. „Sehr, sehr geile Fritten“ und „sehr geiler Dorsch übrigens“, teilt der Puppenspieler und Theaterregisseur mit - stets ergänzt von der Einschätzung, das alles sei „superchrunchy, supertasty, supergeil“. An dem Wahlberliner, der vor Jahren die aufregend langweilige 3sat-Doku „1-2-3 Istanbul“ moderiert hatte, scheiden sich die Geister. Wo die einen den unverkrampft unverhohlenen Umgang mit Werbebotschaften als selbstironisch feiern, kritisieren andere die neue Dimension der Durchdringung von Popkultur mit Reklame. In „Supergeil“ nimmt nicht ein Hit eine Ware huckepack, nein, hier ist die Ware selbst der Hit.´
Kaufrausch ohne Reue
Friedrich Liechtenstein präsentiert der Welt ein Deutschland, das die so noch nicht kannte. „Oh, hier, Klopapier, das ist aber weich“, raunt er zum Vergnügen eines Autoren des US-Computermagazins Slate, der beim Anschauen das Gefühl hatte, sein Gehirn werde verbogen. Daher wohl auch sein Eindruck, der Drei-Minuten-Film öffne ein Fenster in die deutsche Kultur.
Ganz frisch im Angebot: Deutsche mit Humor, Deutsche mit Konsumlust. Um 2,5 Prozent ist der Einzelhandelsumsatz zuletzt gestiegen, „Supergeil“ spielt die Musik zum Kaufrausch ohne Reue. Mit Bildern, die noch aus Liechtensteins Tortenpräsent beim Kaffeekränzchen eine sexuelle Anspielung an der Grenze zur offensiven Schmierigkeit machen, wie der britische „Telegraph“ seine Leser aufklärt: Dies sei zweifellos der „sexieste Clip, mit dem je ein Supermarkt geworben“ habe. Eine Wertung, in der wer will, ein Fenster erkennen mag, das einen Blick auf die britische Seele eröffnet.
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