Kampf gegen Mangelwirtschaft DDR-Bürger im Kampf gegen Mangellwirtschaft: Ausstellung im Stadtmuseum Jena

Jena - Der Rasenmäher Marke Eigenbau, das selbst gefertigte Kameragehäuse für Unterwasserfotografien, Genähtes, Gestricktes, Gehäkeltes - im Kampf gegen die allgegenwärtigen Auswirkungen sozialistischer Mangelwirtschaft waren DDR-Bürger erfinderisch. Kaum ein Alltagsgegenstand, an dessen Bau, Nachbau oder Reparatur sie sich nicht heranwagten. „Der Antrieb, das herzustellen, was es eigentlich nicht gibt, hat bei vielen DDR-Bürgern ein besonderes Improvisationstalent gefördert“, sagt Teresa Thieme vom Stadtmuseum Jena. Dort wird an diesem Donnerstagabend (9. Juni) eine Ausstellung eröffnet, die sich mit Do it yourself-Kultur in der DDR beschäftigt.
Die Schau „Man muss sich nur zu helfen wissen. Selbstgemacht in der DDR“, die bis zum 16. Oktober gezeigt wird, lebt vom reichen Fundus von Zeitzeugen. Das Museum hatte einen Aufruf gestartet - 250 Leute meldeten sich, nicht alle wurden aber berücksichtigt. Mehr als 700 Exponate sind nun zu sehen: Einweckgläser samt Obst-Inhalt aus den 1980er Jahren, selbst gemachte Mode, Schmuck, Spielzeug, Haushaltsgeräte, Werkzeuge, sogar ein Surfbrett und ein Computer Marke Eigenbau. Eine große Kollektion gedrechselter, geklebter oder aus Zinn gegossener Deko-Stücke dokumentiert, womit ostdeutsche Wohnungen in den 1960er bis 80er Jahren geschmückt wurden - zum Beispiel mit einer aus abgebrannten Streichhölzern gebastelten Weihnachtspyramide in Kirchturmform, selbstgeschmiedeten Flurgarderoben und Kerzenständern.
Die Materialien der Bastler
„Man fertigte Dinge selbst, die entweder im Handel nicht erhältlich oder zu teuer waren“, erzählt Ausstellungsmacherin Thieme. Von der heutigen Warenfülle in Modegeschäften oder Baumärkten konnten DDR-Bürger schließlich nur träumen. Modische Kleidung in den teuren „Exquisit“-Läden war für viele kaum erschwinglich, Bauzubehör wie Fliesen oder Armaturen bekam man oft nur durch Beziehungen oder gegen Westgeld, das auch bei der Suche nach Handwerkern hilfreich war. Wer einigermaßen geschickte Hände hatte, versuchte sich deshalb selbst zu helfen - häufig unterstützt von Bekannten oder Kollegen. „Do it yourself war Teamarbeit“, so Thieme.
Beim Material griff man zu dem, was erhältlich war. Hobbyschneider verarbeiteten Scheuerlappen oder ausgediente Babydecken zu Jackenfutter, Schachspieler bastelten Figuren aus Kabelmaterial. Schmuckbastler griffen für ihre oft auf Flohmärkten zu Geld gemachten Kreationen zu Suralin - eine Art Knetmasse, die sich aushärten ließ - Bindfäden, Draht, Holz oder anderen Naturmaterialien. Seinen Rasenmäher schraubte sich ein Ostthüringer aus dem Gestell eines Puppenwagens und dem Motor einer Wäscheschleuder zusammen.
„Zu vermuten ist, dass viele Dinge nicht in der Freizeit, sondern während der Arbeit in den Betrieben entstanden sind“, sagt Museumsdirektor Ulf Häder. „Oft dürfte auch das Material aus den Betrieben stammen.“ Dies werfe auch ein Licht auf die Arbeitswelt in der DDR und die mitunter legere Einstellung zum Volkseigentum.
Akribische technische Zeichnungen und komplizierte Bauanleitungen
Dass die Heimwerkelei oft sehr anspruchsvoll war, davon künden in der Ausstellung akribische technische Zeichnungen und komplizierte Bauanleitungen. Das setzte ein gewisses Knowhow voraus. „Werken als Schulfach war schon im Grundschulalter obligatorisch, die älteren Schüler verbrachten Unterrichtstage in der Produktion und lernten dabei auch den Umgang mit Maschinen“, so Thieme.
Für Freizeitbastler gab es in Kulturhäusern und im DDR-Kulturbund diverse Arbeitsgemeinschaften, die oft von ausgebildeten Fachleuten geleitet wurden. Christa Geyer aus Zeulenroda-Triebes, die Exponate für die Jenaer Schau beigesteuert hat, musste einen vierjährigen Fernkurs in der Textilgestaltung absolvieren. „Erst dann gab's eine richtige Zulassung als Zirkelleiter“, erinnert sie sich.
Die Ausstellung dürfte für viele in der DDR aufgewachsenen Besucher einen Wiedererkennungswert haben - „ohne die DDR zu romantisieren“, wie Museumsleiter Häder betont. Das Jenaer Museum hofft aber auch auf junges Publikum. „Selbstgemachtes ist ja heute auch wieder in - wenn auch aus anderen Gründen als in der DDR mit ihrer schlechten Versorgungssituation“, sagt Thieme. „Heute ist es oft der Umweltaspekt, der Menschen veranlasst, lieber zu reparieren als wegzuwerfen.“ (dpa)