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Innere Sicherheit Clankriminalität geht in Niedersachsen weiter zurück

Weniger Straftaten und deutlich mehr gesichertes Vermögen: 2024 sank die Zahl der Fälle, die sogenannten Clans zugerechnet werden. Die Ministerinnen Behrens und Wahlmann fühlen sich bestätigt.

Von dpa 18.08.2025, 15:33
Innenministerin Behrens (rechts) und Justizministerin Wahlmann (beide SPD) stellten gemeinsam das Lagebild von Polizei und Justiz zur Clankriminalität in Niedersachsen vor.
Innenministerin Behrens (rechts) und Justizministerin Wahlmann (beide SPD) stellten gemeinsam das Lagebild von Polizei und Justiz zur Clankriminalität in Niedersachsen vor. Julian Stratenschulte/dpa

Hannover - Kriminelle Clanstrukturen bleiben für Polizei und Justiz in Niedersachsen ein Schwerpunkt. Zwar machen sie nur einen kleinen Teil der gesamten Kriminalität aus, doch die Taten reichen von Gewaltdelikten bis zu bandenmäßigem Diebstahl und wirken sich auch auf das Sicherheitsgefühl einiger Menschen aus.

Innenministerin Daniela Behrens und Justizministerin Kathrin Wahlmann (beide SPD) sehen sich in ihrer „ganzheitlichen Null-Toleranz-Strategie“ bestätigt. Denn die der sogenannten Clankriminalität zugeordneten Fallzahlen in Niedersachsen sind im vergangenen Jahr abermals gesunken. Polizei und Justiz ordneten 2024 insgesamt 3.145 Straftaten diesem Segment zu, wie die beiden Ministerinnen bei der Vorstellung des neuen Lagebilds zur Clankriminalität mitteilten.

Fast fünf Millionen Euro abgeschöpft

Das entspricht nach 3.610 Fällen im Jahr 2023 einem Rückgang um knapp 13 Prozent. 2022 waren es noch 3.986 Straftaten. Zugleich konnten die Behörden den Angaben zufolge so viele Vermögenswerte wie nie abschöpfen. In 47 Verfahren sicherten sie laut dem fünften gemeinsamen Lagebild von Polizei und Justiz vorläufig fast fünf Millionen Euro. Das entspricht einem Anstieg um knapp drei Millionen Euro.

Justizministerin Wahlmann sagte: „Man muss die Täterinnen und Täter dort packen, wo es ihnen am meisten weh tut – und das ist im Regelfall der Geldbeutel.“ Kevin Komolka, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte: „Das Abschöpfen von Vermögenswerten ist für die Täter oft die gravierendste Konsequenz. Es wäre nur folgerichtig, wenn die abgeschöpften Gelder auch wieder der Polizei zugutekommen würden.“ So werde gute Polizeiarbeit nicht nur honoriert, sondern auch für die Zukunft gesichert.

Begriff der Clankriminalität ist umstritten

Der Begriff Clankriminalität ist allerdings umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund allein aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert. Evrim Camuz, rechtspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, sagte: „Stigmatisierende Pauschalbegriffe helfen bei der Bekämpfung von Kriminalität nicht weiter.“

Niedersachsen sei eines von nur drei Ländern, das überhaupt ein Lagebild zur sogenannten „Clankriminalität“ erstelle. Das Phänomen werde damit künstlich aufgebauscht. Der Anteil der als Clankriminalität eingestuften Delikte an allen polizeilich registrierten Straftaten lag laut Innenministerium im vergangenen Jahr bei weniger als einem Prozent. „So werden Menschen mit Migrationshintergrund zu Unrecht stigmatisiert, in der Bevölkerung wird Angst vor ihnen geschürt und Integration verhindert“, sagte Camuz.

Wahlmann: „Unser Rechtsstaat – unsere Regeln“

Innenministerin Behrens verteidigte den Begriff: „Beim Thema Clankriminalität geht es nicht um die Verfolgung von Nationalitäten oder bestimmten Familien oder bestimmten Ethnien, sondern es geht um ein besonderes Phänomen der Kriminalität.“ Die Mehrheit der Täter sei deutsch, die Mehrheit der Opfer auch.

Behrens sagte weiter: „Die Fallzahlen der Clankriminalität sind zum zweiten Mal in Folge rückläufig. Das ist ein Erfolg unserer abgestimmten und gut vernetzten Bekämpfungskonzepte.“ Justizministerin Wahlmann betonte, Niedersachsen lasse sich „von kriminellen Clans nicht auf der Nase herumtanzen. Wir dulden keine Parallelgesellschaften, die unseren Rechtsstaat ablehnen und versuchen, das staatliche Gewaltmonopol zu umgehen“. Es gelte: „Unser Rechtsstaat – unsere Regeln. Wer sich nicht daran hält, muss mit der Härte des Strafrechts rechnen.“

Viel Körperverletzung, viele Ladendiebstähle

Nach Angaben des Innenministeriums machten sogenannte Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit gut einem Drittel den größten Teil der registrierten Fälle aus. Besonders auf die Körperverletzung entfiel mit 583 Fällen der Großteil der Rohheitsdelikte.

Die Zahl der Diebstähle unter erschwerenden Umständen stieg zugleich im Gegensatz zum allgemeinen Trend deutlich um rund ein Viertel auf 303 Fälle. Hierbei handelte es sich besonders um teils bandenmäßig begangene Ladendiebstähle.

80 Prozent der Tatverdächtigen männlich, 56 Prozent deutsch

Im Jahr 2024 wurden 2.903 Tatverdächtige erfasst, rund 80 Prozent davon männlich. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren lag bei etwa 17 Prozent und damit leicht höher als im Vorjahr. Etwa 56 Prozent der Beschuldigten hatten die deutsche Staatsangehörigkeit, vier von fünf davon wurden in Deutschland geboren. Unter den ausländischen Tatverdächtigen waren vor allem rumänische, türkische und syrische Staatsangehörige vertreten.

Nach Angaben des Innenministeriums ist Clankriminalität zwar für weniger als ein Prozent der gesamten polizeilich erfassten Straftaten verantwortlich. Die Bekämpfung von Clanstrukturen bleibe aber ein landesweiter Schwerpunkt. Denn neben den objektiv von der Clankriminalität ausgehenden Gefahren schmälere sie besonders die gefühlte Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.