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China China: Millionen Männer finden keine Frauen

Von Andreas Landwehr 15.01.2007, 11:37
Drei Männer und eine Frau, das gibt Streit: Junge Chinesen amüsieren sich auf einem zugefrorenen See in Peking. (Foto: dpa)
Drei Männer und eine Frau, das gibt Streit: Junge Chinesen amüsieren sich auf einem zugefrorenen See in Peking. (Foto: dpa) EPA

Peking/dpa. - Millionen Chinesen suchen schon heute vergeblich eine Partnerin, im Jahr 2020 werden 30 Millionen Männer im besten Alter (20 bis 45 Jahre) alleine sein, wie die Familienplanungskommission in Peking befürchtet. Grund: In China werden Jungen traditionell bevorzugt und Mädchen immer häufigergezielt abgetrieben. Dadurch kamen im vergangenen Jahr auf 100neugeborene Mädchen schon 118,58 Jungen. Das geht aus einem amFreitag veröffentlichten Bericht zur Bevölkerungsentwicklung hervor. Der Frust von Millionen einsamen Männern lässt die Experten schon heute vor «sozialer Instabilität» warnen.

Dabei ist der Trend keineswegs neu. Schon 1980 lag derJungenanteil in China mit 108,5 zu 100 Mädchen über demWeltdurchschnitt von 104 bis 107. Mit der Weiterentwicklung vonUltraschallgeräten und dem wachsenden Wohlstand, der solche Eingriffezunehmend bezahlbar macht, wurde immer häufiger weibliche Fötenabgetrieben. In einigen Regionen wie den südlichen ProvinzenGuangdong und Hainan kommen auf 100 Mädchen sogar 130 Jungen. Vorallem auf dem Lande wollen die Bauern männliche Nachkommen, weildiese auch nach der Heirat bei den Eltern bleiben und sich um derenAltersversorgung kümmern, während Frauen nach der Hochzeit in denHaushalt der Männer und der Schwiegereltern wechseln.

So ist es in China seit Jahrtausenden Tradition. Die Ein-Kind-Politik und neue, erschwingliche Ultraschalltechnik haben das Problemnoch verschärft. Schlechte Karten haben schon längst junge Bauern inarmen Regionen. Der Frauenmangel auf dem Lande ist das Geschäft derMenschenschmuggler, die ungewollte kleine Mädchen kaufen oder garwelche entführen, um sie in Dörfer zu verkaufen. Zeitungen berichtenseit Jahren über Frauen, die mit Versprechungen angelockt oderentführt wurden, um dann als Braut eines armen Bauern in einementlegenen Dorf zu leben.

«Diskriminierung gegen Frauen bleibt der Hauptgrund für Chinaswachsendes Ungleichgewicht der Geschlechter», kommentierte LiuBohong, Forscherin der staatlichen Frauenvereinigung die neuenZahlen. Die unpopuläre und strenge Familienplanungspolitik in China,die in der Regel nur ein Kind pro Paar erlaubt, nahm die Funktionärinschon von Berufs wegen in Schutz, auch wenn andere Experten darineine wichtige Ursache sehen. Doch ist auch klar, dass eineunkontrolliert wachsende Bevölkerung von heute 1,3 MilliardenMenschen noch ungleich größere Probleme für die Ressourcen Chinas undder Welt bringen würde.

Unstrittig ist, dass das Ungleichgewicht der Geschlechter «dasErgebnis einer tief verwurzelten Vorstellung in der chinesischenKultur ist, dass Männer den Frauen überlegen sind», wie Liu Bohongder Nachrichtenagentur Xinhua sagte. Doch die Vorstellung, dassMädchen nichts wert sind, fördert die Familienplanung schon indirektdadurch, dass Bauern ein weiteres Kind erlaubt wird, wenn das erste«nur» ein Mädchen ist. Um die Geschlechterlücke nicht noch größerwerden zu lassen, läuft seit sechs Jahren die Kampagne «Um Mädchenkümmern», die Familien mit nur einem Mädchen finanzielle Vorteilebietet, die Ausbildung der Tochter fördert und Aufklärung leistet.

Dass es 2004 in der Altersgruppe unter 20 Jahren schon 20Millionen mehr männliche als weibliche Chinesen gab, weckt den Rufnach drastischen Maßnahmen. Zwar ist es in China nicht erlaubt, dasGeschlecht beim Fötus aus nicht medizinischen Gründen zu ermitteln.Doch werden Verstöße nicht wirksam verfolgt oder bestraft. Seit 1.Januar gelten in der schwer betroffenen, großen Provinz Henan aberstrengere Vorschriften, die Ultraschallgeräte und Ärzte stärker unterAufsicht stellen sowie Abtreibungen deutlich erschweren. Wer dennochein Mädchen abtreibt, weil er lieber einen Jungen will, muss beiEntdeckung zwischen 10 000 und 30 000 Yuan (1000 bis 3000 Euro)Strafe zahlen - das Fünffache eines Jahreseinkommens einer Familie.