Cannabis-Legalisierung Cannabis-Legalisierung: Volle Dröhnung mit Drogen

Halle (Saale) - Links ein Partyservice, rechts ein Schnellimbiss. In der Mitte ein kleines Schild, fast nicht zu sehen: „Durango Organics and Wellness Center“, steht da vor einer Glastür. Hinter der wartet Jessica, eine Mitarbeiterin des ersten legalen Drogen-Geschäftes der 16000-Einwohner-Stadt Durango im Süden des US-Bundesstaates Colorado. Die Atmosphäre hier ist halb die einer Arztpraxis, halb die eines gutsortierten Weingeschäftes. Eine freundlicher Empfangssekretär kontrolliert Ausweise, danach wird der Kunde von einem Verkäufer abgeholt und in den Shop geführt. Jeff und Jessica beraten hier wie Kellner in einem feinen Restaurant: „Lieber Blueberry Gum oder Peach Dream? Lieber leicht oder lecker?“
Einmal wird es Haschisch genannt, einmal Cannabis, dann wieder Marihuana oder sogar nur „Gras“. Im Grunde aber handelt es sich immer um dasselbe, nämlich um Teile der THC-haltigen weiblichen Cannabis-Pflanze: Haschisch heißt das Cannabisharz, das aus den Blütenständen der ursprünglich in Zentralasien beheimateten Hanf-Pflanze gewonnen wird, Marihuana dagegen hat sich als Begriff für das Cannabiskraut eingebürgert. (stk)
Hier gibt es alles, was das Kifferherz begehrt. Rauchware und Gummitiere, Cannabis-Cola und Kekse, Cannabisblätter und Cannabisblüten - seit Januar diesen Jahres dürfen Erwachsene über 21 Jahren im ganzen Bundesstaat eine Unze - etwa 28 Gramm - des Rauschmittels besitzen. Genausoviel dürfen Bürger in den inzwischen 1 600 lizensierten Läden legal kaufen. Wer nicht in Colorado lebt, hat bei Besuchen das Recht, sieben Gramm zu erwerben.
Grüne Revolution
Eine grüne Revolution, die mit einer Volksabstimmung über das sogenannte „Amendment 64“ ihren Anfang nahm. Bei der hatten die Einwohner des Rocky-Mountain-Staates im November 2012 mit einer Mehrheit von 55,3 Prozent für eine Legalisierung der Droge gestimmt, die im Jahr 1937 verboten worden war, weil sie als „in den Wahnsinn und Tod führendes Rauschgift“ galt, wie das „Federal Bureau of Narcotics“ behauptete.
Die Situation in den vereinigten Staaten ist seitdem bizarr. Nach dem Recht in Colorado - wie auch dem im Bundesstaat Washington - sind Besitz und Konsum von Cannabis erlaubt. Staatlich zugelassene Händler vertreiben den Stoff nach festen Kriterien, sie zahlen Steuern und Abgaben. Nach Bundesrecht jedoch handeln sie weiter illegal. Das führt dazu, dass in Geschäften wie Durango Organics ausschließlich bar bezahlt werden kann: Kreditkartenunternehmen oder Banken müssten eine Strafverfolgung durch Bundesbehörden fürchten, arbeiteten sie mit einem in Colorado lizensierten Cannabis-Verkäufer zusammen.
Vorteile einer Cannabis-Legalisierung
Das allerdings sind nur die Mühen des Übergangs von einem fast acht Jahrzehnte geltenden Bann zu einer neuen Rechtslage, wie sie nach erfolgreichen Volksabstimmungen demnächst auch in Alaska, Oregon und der Hauptstadt Washington D.C. gelten wird. Denn die Vorteile einer Cannabis-Legalisierung liegen auf der Hand: Allein in den ersten acht Monaten nahm Colorado mehr als 45 Millionen Dollar Steuern über die neue Cannabis-Tax ein.
Es wurden zehntausend neue Jobs geschaffen, gleichzeitig kam der illegale Handel mit der Droge, den Polizei, Staatsanwälte und Gerichte über Jahrzehnte erfolglos zu bekämpfen versucht hatten, nahezu völlig zum Erliegen. Auch die Zahl der Überfälle und Gewaltverbrechen ist nach einem Bericht der „New York Times“ im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 4,8 Prozent gesunken.
Es gibt zwar neue Regeln wie die, das legale Gras nicht in der Öffentlichkeit zu rauchen. „Aber ein Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit, keine Straftat“, erklärt ein Barkeeper angesichts eindeutig riechender Rauschwaden, die aus einer Rauchergruppe auf dem Bürgersteig in seinen Pub ziehen.
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In Deutschland wäre das ein Verbrechen. Dabei ist die Rechtslage hierzulande nicht weniger verquer als in den USA. Zwar gilt der Konsum von Cannabis nicht als strafbar, da er als „straffreie Selbstschädigung“ zählt. Doch Kauf und Besitz sind Verbrechenstatbestände, die mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu ahnden sind.
Aber eben nicht zwingend geahndet werden. 145 000 Ermittlungsverfahren wurden 2013 im Zusammenhang mit Cannabis in Deutschland eröffnet. Doch je nach Bundesland stellten die Behörden davon zwischen 40 und 90 Prozent ohne Auflage oder Gerichtsverfahren ein. Denn jedes Bundesland verfolgt seine Kiffer nach eigenem Maß: Während im liberalen Berlin 15 Gramm als geringe Menge gelten, die durch die Polizei nicht zur Anzeige gebracht werden muss, kürfen Beamte in Sachsen-Anhalt nur bei unter fünf Gramm ein Auge zudrücken.
Strafverfolgung ohne Strafe
Die gesellschaftlichen Kosten dieser Strafverfolgung ohne Strafe sind dennoch immens. Zwar gibt es keine konkreten Zahlen für Deutschland, doch eine Studie der britischen South Bank University bezifferte die durchschnittlichen polizeilichen Personalkosten pro Cannabisfall für Großbritannien auf etwa 800 Euro. Für Deutschland ergäbe allein das alljährlich eine Summe von etwa 116 Millionen Euro. Nicht mitgerechnet zusätzlich anfallende Kosten für Staatsanwälte, Richter, Rechtsanwälte und die zeitweise Unterbringung in Haftanstalten.
Kosten, die sich Colorado seit Januar spart, ohne dass deshalb das Gemeinwesen zusammengebrochen ist. Trotzdem ist Deutschland weit entfernt davon, das in den 90er Jahren vom späteren Bundesrichter Wolfgang Neškovic geforderte „Recht auf Rausch“ auch nur ernsthaft zu diskutieren.
Mehr illegale Anbauanlagen
Dass deshalb weniger Hasch geraucht wird, geht aus den Statistiken nicht hervor. Ganz im Gegenteil. Etwa fünf Prozent der Bevölkerung kiffen zumindest gelegentlich. Ein Prozentsatz, der zuletzt leicht angestiegen ist. Der Nachschub für diese mehr fast drei Millionen Cannabis-Konsumenten kommt längst nicht mehr aus dem Ausland, sondern häufig genug aus inländischen Plantagen. Fast 800 ließ die Polizei im vergangenen Jahr deutschlandweit auffliegen, neben 479 Kleinanlagen, die mit nur ein paar Pflanzen für den individuellen Gebrauch produzierten, stießen die Beamten auch auf 184 Groß- und 28 Profianlagen mit mehr als tausend Pflanzen.
Eine Industrie, die im verborgenen blüht, nicht zuletzt in Sachsen-Anhalt. Pro Kopf der Bevölkerung wurden zwischen Altmark und Zeitz zuletzt fast 60 Prozent mehr illegale Anbauanlagen entdeckt als in Bayern. Geht es nach Berechnungen des Deutschen Hanf Verbandes, könnte das der Grundstock einer florierenden Wirtschaftsbranche sein: Ein nach dem Vorbild von Colorado regulierter legaler Cannabismarkt, rechneten die Hanf-Lobbyisten vor zehn Jahren schon vor, brächte zusätzliche Steuereinnahmen von mindestens 530 Millionen Euro im Jahr, gleichzeitig würde der Staat etwa eine Milliarde Euro an Kosten für die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten einsparen. (mz)
www.hanfverband.de, www.thecannabist.co

